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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Schwefelstückchen, etwas Kohle und Wildschweinmist, gab alles in einen Mörser. Obwohl es sehr überlegt aussah, geschah die Zusammenstellung vollkommen willkürlich. Es spielte für das Sprechen des Fluchs keine Rolle. Die Kundschaft wollte es, die Kundschaft bekam es. Ein schlechtes Gewissen hatte Sandrine wegen der Täuschung nicht. Denn ihre Flüche wirkten. Immer.
    »Man merkt, dass du nicht hier geboren wurdest«, kommentierte Natalie und sah bei den Handgriffen zu. »Der alte Comte war ein sehr anständiger Mann. Er hat sich damals, als die halbe Welt bei uns war, um die Bestie zu jagen, immer sehr eingesetzt und ist viele Jagden geritten, um den Wolf endlich zu erwischen.«
    »Wärst du so gut und würdest einige Augenblicke schweigen? Ich muss die ersten Beschwörungen aufsagen, während ich die Zutaten mahle. Ein Fehler wäre unter Umständen gefährlich fürdich und mich. Die Geister des Gévaudan können grausam sein, wenn man sie nicht behandelt, wie es ihnen gebührt.«
    Natalie nickte. Sie war beeindruckt.
    Sehr gut. Glaub nur fest an die Geister.
    Das Schauspiel ging weiter. Sandrine zerstampfte alles unter lautem Gemurmel, und zwar in einer Sprache, die sie frei erfand. Früher hatte sie sich an dieser Stelle das Lachen verbeißen müssen, inzwischen gelang es ihr, ihre Belustigung zu unterdrücken. Mist und Schwefel erwärmten sich unter dem Reiben, Gestank breitete sich in der Hütte aus. Der Geruch passte zum Fluch.
    Perfekt!
    Die Zutaten waren zu feinem Pulver geworden. »Die erste Stufe ist geschafft. Die Geister sind mit uns.« Sie wandte sich um und sah, dass die Frau wieder vom Wein trank. »Ich bin froh, dass ich in diesen dunklen Jahren nicht im Gévaudan gelebt habe.«
    »Ja, sei froh«, sagte Natalie und wischte sich über die Lippen. »Du wärst ein perfektes Opfer für die Bestie gewesen: eine Frau, blond und hübsch, Anfang zwanzig und alleine. Ich hätte deine zerfleischte Leiche eines Morgens finden müssen.«
    Sandrine gab das Pulver in ein kleines Flachssäckchen und setzte sich zu ihr. Die Angst in Natalies Augen zeigte, wie sehr ihr die Ereignisse aus den Jahren 1764 und danach im Gedächtnis geblieben waren und welchen Schrecken sie verbreitet hatten. Die Flugblätter waren im ganzen Königreich zu lesen gewesen. Zweihundertfünfzig Menschen hatte die Bestie angegriffen und einhundertfünfzig getötet.
    »Es ist vorbei, Natalie«, sagte sie behutsam und legte die Hand auf die ihrer Freundin. »Die Bestie ist erschossen worden.«
    »Darauf trinke ich.« Sie prostete ihr zu und nahm einen Schluck vom Likör.
    »Du wirst besoffen sein, wenn du nach Hause kommst«, warnte Sandrine und hielt das Säckchen, aus dem beißender Geruch waberte, leicht geöffnet. »Gib etwas von deinem Mann hinein.«
    Meine kleine Aufführung schreitet voran. Die wievielte ist es eigentlich? Ich sollte sie zählen.
    Natalie kramte in den Taschen und holte eine schwarze Locke heraus. »Da! Dein Ding soll aussehen wie ein Fliegenpilz«, giftete sie und warf die Haare hinein.
    »Vielleicht solltest
du
den Fluch sprechen. Du bist in der besten Stimmung dafür.« Sandrine schloss das Säckchen mit einem Garnfaden und legte es auf den Tisch, dann stand sie auf und ging zum Schrank. Sie nahm eine flache Schüssel und gab Wasser hin ein.
    Was passt jetzt am besten?
    Ihre Blicke huschten über die vielen Fläschchen.
    Ah, ich weiß es!
    Sie nahm einen grüngräulichen Flakon und träufelte die stinkende, verrottende Jauche daraus in das Wasser, bis es sich dunkel eingefärbt hatte. Der Gestank brachte Tote zum Davonlaufen. Dann kehrte sie an den Tisch zurück und legte das Säckchen hinein. Der Flachs sog sich voll.
    Jetzt zum Höhepunkt meiner Darbietung. Sie soll was zu sehen und zu hören bekommen. Aber wehe, sie hat den Lohn nicht dabei. Freundin hin oder her.
    »Ihr Geister des Gévaudan«, hauchte Sandrine und nahm Natalies dickliche Hände. »Hier sitzt die betrogene Natalie Darnot und verlangt nach Rache für die Schmach. Sie bittet euch durch mich: Straft ihren untreuen Ehemann mit einer Krankheit. Schlagt sein Ding mit Ausschlag, lasst es rot und picklig werden!«
    Na, ich sollte etwas lauter werden. Und abwesender klingen.
    »Und schont auch nicht die Frau, mit der er es treibt, denn sie hat sich an der Untreue willig beteiligt.« Sandrine schloss die Augen und täuschte unglaubliche Anstrengung vor, ließ ihre Züge zu einer steifen Maske werden. »Ihr Geister! Helft Natalie Darnot!«
    Die

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