Judassohn
nahm sich Eimer und Schemel und schritt zur Tat. Es dauerte eine geraume Zeit, bis die Tiere alle gemolken waren. Danach schleppte sie die Milch ins Wohnhaus und setzte sie auf dem Herd auf.
Es klopfte zögerlich an der Tür. Der Besucher schien wohl Angst zu haben, das Holz zu beschädigen oder ihm Schmerzen zuzufügen.
Sandrine wunderte sich niemals über Besuch in der Nacht. Und sie hatte niemals Angst. »Herein, wenn es kein Loup-Garou ist«, bat sie fröhlich. »Es ist nicht abgeschlossen.«
Die Tür schwang auf
Auf der Schwelle stand Natalie Darnot. Sie hatte sich einen langen Mantel umgeworfen und einen Männerhut auf den Kopf gezogen. Schnell trat sie ein. »Bonnuit, weise Frau«, grüßte sie und schloss den Eingang.
»Bonnuit, Madame Darnot.« Sandrine musste lachen. »Wie ziehst du dich denn an, wenn du unterwegs bist?«
»So, damit mich keiner erkennt«, antwortete sie und setzte sich an den Tisch. »Hast du etwas zu trinken für mich?«
»Gegen den Durst oder gegen die Angst?«
»Gegen … beides?«
Sandrine lachte noch lauter und sammelte einen Becher, einen Krug mit Wein, mit Wasser und eine Flasche Likör vom Küchenbord zusammen, baute alles vor ihr auf. »Da. Such dir was aus oder trink alles auf einmal.« Sie nahm neben ihr Platz.
Die pummelige Natalie wählte den Likör und goss sich zwei Fingerbreit ein. Sie stürzte ihn hinunter und schenkte sich danach Wasser in den Becher. »Einen Fluch«, stieß sie zornig aus. »Ich brauche einen Fluch.«
»Ist er dir wieder fremdgegangen?«, sagte Sandrine seufzend.
»Ja. Dieser räudige Bastard! Er nimmt sie jeden Tag. In unseremHaus!« Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Ich bin das Gespött des Dorfes.«
»Nicht mehr lange.« Sandrine nahm einen Schluck aus dem Weinkrug. »Was schwebt dir für ihn vor? Warzen? Ausschlag an seinem Ding?«
»Ja! Ausschlag an seinem Ding!«, stimmte Natalie begeistert zu, so dass die dünnen braunen Locken tanzten. »Etwas Ansteckendes, damit sich die Mademoiselle die Fotze blutig kratzen muss!«
»Dann brauche ich auch etwas von ihr, um den Fluch nur auf sie zu richten. Sonst erwischt es dich ebenso.«
»Mich?«, machte sie empört. »Glaubst du, dass dieser Hurenbock noch einmal in mich reindarf?« Sie trank ebenfalls vom Wein. »Nein, nein, der soll in den Stall gehen und Schafe ficken. Mich bekommt er nicht mehr. Non, Monsieur!«
Sandrine lächelte die wutentbrannte Freundin verständnisvoll an. »Willst du dich von ihm scheiden lassen?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete sie seufzend. »Es waren einfach zu viele Weiber, mit denen er mich betrogen hat. Er wird es immer wieder tun, und ich kann mich damit nicht arrangieren.« Sie atmete tief aus und nahm einen Schluck Likör. »Einen Fluch. Ausschlag. An seinem Schwengel«, wiederholte sie entschlossen. »Sagen wir für ein Jahr, damit er geläutert wird?«
»Das lässt sich einrichten.« Sandrine strich ihr tröstend über den Schopf. »Was machen die Kinder?«
»Ihnen geht es gut. Jacques wird einmal ein guter Schafhirte, und Marie ist von Tag zu Tag hübscher. Sie angelt sich eines Tages einen Comte oder Marquis und macht eine gute Partie«, sagte Natalie im Brustton der Überzeugung.
Sandrine ging zu ihrem Schrank, der neben dem Herd stand und auf dem magische Symbole und geheimnisvolle Zeichen aus einer anderen Welt von ihr geschnitzt worden waren. »Du willst, dass sich junge Comte in sie verliebt?« Sie öffnete den Schrankund betrachtete die Kräuter und all die flüssigen und festen Ingre dienzen, die sie für ihre Elixiere und Flüche be nötigte.
So sagte Sandrine zumindest denjenigen, die ihre Dienste in Anspruch nahmen. Wie bei jedem guten Schauspiel machten die Bühne und die Requisiten einen großen Teil der Wirkung aus. Es wurde einfach von ihr erwartet, dass Flüche mit viel Brimborium erschaffen wurden. Folglich stapelten sich in den Schubladen und Regalen die Sachen; in Hüfthöhe befand sich eine kleine Arbeitsplatte zur Vorbereitung. »Wie alt ist der Seigneur jetzt?«
»Er ist um die achtzehn Jahre und der Alleinerbe, seit sein Großvater bei dem Jagdunfall vor ein paar Jahren ums Leben gekommen ist«, drang es sofort aus Natalies Mund. Sie verfolgte den Heiratsplan fest. »Er ist der einzige männliche Nachfahre.«
»Von dem man
gehört
hat«, fügte Sandrine an. »Du weißt ja, dass die Herrschaften ihre Samen gerne in fremde Furchen säen.« Sie legte Beifuß und Löwenzahn auf einen Haufen, mischte darunter
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