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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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eine Vampirin, und ich weiß, dass es noch sehr viel mehr von euch gibt. Und Werwölfe, wie diesen Comte. Die können doch wieder bei uns aufkreuzen und uns umbringen wollen. Was machen wir denn dann, wenn du nicht da bist, Tante Sia?«
    Gute Frage.
Sia versuchte ein Lachen, das nicht echt klang. Man hörte die Lüge in ihrer Stimme. »Nein, ich bin jetzt immer für euch da und passe auf.«
    Elena legte den Kopf besserwisserisch schief. »Auch bei grellem Sonnenschein im August?«
    Schiff versenkt.
»Hör mal, Elena, ich …«
    Das Mädchen beugte sich nach vorne. »Du
musst
mich ausbilden! Es geht doch gar nicht anders. Ich bin jung, ich lerne schnell, und ich habe keine Angst vor dem, was ich von dir erfahren werde. Ich verspreche es!«
    Wieder wurde Sia die Andersartigkeit ihrer Nichte bewusst. Eine Andersartigkeit, die sie von sich kannte, von damals, im siebzehnten Jahrhundert, als ihr Vampirvater erschienen war, um sie nach dem Tod der Mutter mitzunehmen. Sie hatte Dekaden in seiner ausgebauten Mühle zwischen Büchern verbracht, um Wissen in sich aufzusaugen: über die Kinder des Judas, über Naturwissenschaften und Sprachen, über Gott und die Welt – und natürlich über das Kämpfen. Kaum jemand konnte es mit ihr und ihren Dolchen aufnehmen.
    Jetzt saß mehr als dreihundert Jahre danach ein kleines Mädchen vor ihr und verlangte mit ernstem Blick, die Tradition der Ausbildung wieder aufzunehmen.
    Sie ist viel weiter, als ich es damals war.
Dennoch sträubte sich Sia dagegen. Sie hatte Angst, dass nach der Ausbildung früher oder später Elenas Umwandlung in eine Vampirin anstand. Vielleicht verbreitete sich der untote Keim schon in der Brust des Kindes, wucherte in jede Zelle.
Dieses Schicksal sollst du nicht mit mir teilen. Du darfst es einfach nicht!
    »Wir warten noch ein wenig damit«, beharrte Sia und strich über Elenas rechte Wange. »Lass uns darüber nicht streiten, bitte.« Dann fiel ihr ein, wie sie Zeit schinden konnte.
Unfair, aber wirkungsvoll.
»Ich brauche dazu das Einverständnis deiner Mutter. Ohne das kann und möchte ich es nicht tun.«
    Elena verzog den Mund, entgegnete jedoch nichts.
    Sia stand auf und konnte die unausgesprochene Antwort des Mädchens dennoch hören:
Was machen wir, wenn Mama nicht mehr aus dem Koma erwacht?
    Elena packte ihre Schulsachen zusammen und band sich die Schnürsenkel fester. »Ich muss jetzt los, Tante Sia. Ich bin mit Trisha und ihrer Mutter verabredet. Ich bringe Trisha ein paar Schulbücher, und danach gehen wir Schlittschuh laufen. Heute Abend bin ich wieder da, wie abgemacht.« Sie schnappte sich den Ranzen und warf ihn über die Schulter. Dann trat sie ans Bett ihrer Mutter und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Sia sah, dass sie etwas aus ihrer Tasche nahm und zwischen die Finger der Komatösen schob. »Tschüs!«
    »Viel Spaß! Sechs Uhr, hier. Wir fahren dann zusammen nach Hause«, rief Sia ihr nach, doch Elena war bereits aus dem Zimmer verschwunden. Sie wandte sich zum Krankenbett und stellte sich neben Emma, schloss die Augen und streckte behutsam ihre Sinne aus – nach IHM .
    Es gab dabei keinen Trick oder ein Ritual oder sogenannte Magie – wenn sich der Tod im Raum befand, wusste Sia es einfach.
    Aber heute nahm sie ihn nicht wahr. Emma war sicher.
    Sia öffnete die Augen. »Es tut mir leid, dass ich dir das alles eingebrockt habe«, sagte sie zum bestimmt hundertsten Mal zu Emma. »Ich hoffe, du hörst mich, und ich bitte dich, dass du mir verzeihst. Aber du musst aufwachen! Du darfst nicht in dem Niemandsland der Seelen hängenbleiben. Deine Tochter braucht dich. Ich bin ein schlechter Ersatz.« Sie küsste die heiße Stirn der Komatösen, drückte ihr die Hand.
    Ich werde den Oberarzt gleich wegen dem neuerlichen Kernspintermin nerven, bevor er es vergisst oder denkt, dass andere wichtiger wären.
Sia ging hinaus in den Korridor, in dem es roch, wie es in Krankenhäusern immer roch: Plastikfußboden, Desinfektionsmittel und gerade eben noch ein Hauch von Kaffee aus dem Schwesternzimmer; der Geruch des Mittagessens hatte sich bereits verflüchtigt.
    Neben der Sorge, dass Emma im Koma gefangen bleiben könnte, existierte die Furcht vor ihrem Tod. Es war mehr als ein bloßer Verlust einer geliebten Person, denn es bestand die Gefahr, dass aus der Frau eine Blutsaugerin wurde wie Sia selbst. Eine Judastochter. Als Sias Nachfahrin, wenn auch nicht direkte Tochter, war die Wahrscheinlichkeit groß. Ebenso bei Elena.
    Dann müsste ich

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