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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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ihr den Kopf abschlagen und ihre Leiche verbrennen, und das … will ich einfach nicht. Ich will es nicht mehr tun müssen. Nicht so früh … Sie ist viel zu jung.
    Am Flurende tauchte der hochgewachsene Professor Kleinert auf, dem die älteren Schwestern den Spitznamen Sascha gegeben hatten. Sein echter Name lautete Axel, aber er war dem Schauspieler Sascha Hehn aus der Zeit der Schwarzwaldklinik zum Verwechseln ähnlich.
    Sia marschierte los, um ihn abzufangen, bevor er in sein Büro verschwinden konnte.
    Noch war ihr Leben kompliziert, weil sie mit zwei Namen unterwegs war. Im Krankenhaus kannte man sie als Theresia Sarkowitz, aber in ihrem gefälschten Personalausweis stand bereits ihr neuer Name: Jitka von Schwarzhagen.
    Gleich ein paar Probleme hatten den Identitätswechsel notwendig gemacht. Für das Krankenhaus würde sie der Einfachheit halber Sia bleiben, auch Elena sprach sie so an. Für den Rest der Welt war sie Jitka geworden. Es war der Name, den sie als kleines Mädchen getragen hatte.
    »Hallo, Sa… Herr Professor«, rief sie und eilte auf Kleinert zu. Er blieb stehen und hob den Arm zum Gruß. »Ich hätte eine dringende Bitte an Sie.«
    * * *

2. Februar, Deutschland,
Sachsen, Leipzig, 17.36 Uhr
    Elena bohrte die hintere Kante des Schlittschuhs ins Eis und bremste, dann legte sie sich zur Seite und zog in engem Abstand
     an einem Paar vorbei.
Wie kann man nur so langsam sein!?
    Eigentlich war die Bahn ein gewaltiger, rechteckiger Brunnen, aber entweder hatte die Stadtverwaltung vergessen, das ungewöhnlich hohe Wasser vor Wintereinbruch ablaufen zu lassen, oder es war bewusst drin gelassen worden. Jedenfalls vergnügten sich an dem Tag etliche bekufte Leipziger auf der Eisfläche, und mittendrin kurvten Elena und Trisha. Findige Händler hatten Buden mit Glühwein- und Bratwurstverkauf aufgestellt. Das größte Getümmel war glücklicherweise schon vorbei, es leerte sich allmählich.
    Der kalte Fahrtwind fuhr Elena durchs Gesicht und durch die Mütze, aber es war ihr egal. Sie mochte es, schnell unterwegs zu sein. Das hatte sie von ihrer Tante übernommen.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte sie einen älteren Mann mit grauem Mantel und Hut, der an der Rostwurstbude stand und in eine dampfende Thüringer biss. Seine Augen waren auf sie gerichtet. Absichtlich und nicht mal aus Zufall, wie es geschehen konnte, wenn man etwas tat und sich dabei umsah. Er schaute nicht einmal weg, als er verstand, dass sie seine Blicke gespürt hatte; dann schoben sich andere Eisläufer in ihr Gesichtsfeld, und der Unbekannte war verschwunden.
    Was wollte der denn?
Elenas Ausgelassenheit wurde getrübt, schlagartig erwachte der Argwohn. Die Erinnerungen an das Massaker hatten sich fest in sie eingebrannt. Die Erkenntnis, dass eine auf den ersten Blick harmlose Person zu den schlimmsten Dingen fähig war, hatte ihre Unbefangenheit zu weiten Teilen ausgelöscht.
    Elena drehte eine weitere Runde auf dem Eis vor dem Völkerschlachtdenkmal und hielt Ausschau – aber den Mann sah sie nicht mehr. Erleichterung breitete sich in ihr aus.
    »Schau mal, ich kann eine Pirouette!«, rief Trisha aus einiger Entfernung und gab sich zumindest Mühe, bei dem Versuch gut auszusehen. Ihre Mutter stand am Rand und applaudierte.
    Elena klatschte auch. Trotzdem. »He, super!« Sie beschrieb einen engen Bogen und kehrte zu ihrer Freundin zurück; dabei wich sie mehreren entgegenkommenden Eisläufern geschickt aus, was einen durchaus waghalsigen Eindruck machte. Trishas Gesicht wurde lang: Elena war ihr weit überlegen, und das frustrierte sie deutlich.
    »Na, machen wir Schluss für heute?«, rief Trishas Mutter, die einen Becher in der Hand hatte, aus dem es verdächtig nach Glühwein roch.
    Elena fühlte ihre Zehen, Finger und Ohren nicht mehr, die Kälte hatte sie taub werden lassen. »Ja. Ich bin echt durchgefroren.«
Ich fühle keine Schmerzen dabei. Erfrieren scheint wirklich nicht so schlimm zu sein.
    Trisha hatte blaue Lippen und eine rote Nase. »Ich auch. Der Tee vorhin hat auch nicht geholfen.« Die beiden Mädchen ließen sich an den Rand zu ihren Sachen treiben und setzten sich, um die Schlittschuhe auszuziehen und in die Stiefel zu steigen.
    »Oh, Mann. Die sind vielleicht kalt!«, stieß Trisha hervor und quietschte auf.
    »Wir hätten den Tee da reinkippen sollen.« Elena fröstelte.
    »Habt ihr Hunger?« Trishas Mutter nickte zum Glühweinstand, der auch Waffeln verkaufte.
    »Au ja! Gute Idee!«, jubelten die Mädchen im

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