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Judaswiege: Thriller

Judaswiege: Thriller

Titel: Judaswiege: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Berkeley
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Kollege, aber d’Alba sagt, er war es gar nicht. Er sagt, der da war’s«, und zeigte auf einen Mann in der hintersten Reihe, der dem frisch gebackenen vermeintlichen Täter wie aus dem Gesicht geschnitten schien.
    »Sie sind eineiige Zwillinge«, zwinkerte Stein dem Staatsanwalt zu. »Und ich denke, wir sind uns einig, dass Sie damit Ihren Prozess gegen die d’Albas vergessen können. Eineiige Zwillinge haben eine nahezu identische DNA. Lesen Sie es nach, Sie werden ihnen höchstens nachweisen, dass einer von den beiden am Tatort war, aber niemals, welcher«, verabschiedete er sich und zwängte sich durch den Mittelgang, wobei er die überschwängliche Dankesrede von Canelli überhörte, der die Hand nach ihm ausstreckte.
    Pia folgte ihm mit den Unterlagen, die sie in einem Stapel vor der Brust balancierte. Auch sie lächelte. Es war ein gutes Gefühl, zu gewinnen, obwohl sie nicht sicher war, ob heute die Gerechtigkeit einen Sieg davongetragen hatte.
    Draußen vor der Tür wartete bereits Steins Limousine, ein alter Rolls Royce Phantom VI. Dieselbe Staatskarosse, die auch die Queen immer noch fuhr, und laut Stein das letzte ordentliche Auto, das jemals gebaut worden war.
    Als die Reportermeute abgeschüttelt und die schwere Wagentür ins Schloss gefallen war, atmete Pia durch. Sie legte die Unterlagen zwischen sich und den kleinen alten Mann und strich den Rock ihres Kostüms glatt. Sie versuchte ihren Blick starr geradeaus zu richten, aber Stein forderte sie ganz direkt auf: »Na kommen Sie schon, Miss Lindt. Fragen Sie.«
    Sie betrachtete ihren Chef von der Seite. Er schien zufrieden zu sein, ja beinahe glücklich. Seine kleinen Augen neben der Ingwerknolle lachten, die Falten seines über siebzig Jahre alten Gesichts sahen nicht müde aus. Auf einmal wirkte er gar nicht mehr so zerbrechlich wie zuvor im Gerichtssaal.
    »Wie kommt man damit zurecht?«, fragte Pia. »Mit der Schuld unserer Mandanten?«
    Ihr Chef lächelte nachsichtig: »So dürfen Sie das nicht sehen, Miss Lindt. Es ist nicht unsere Aufgabe, über die Schuld oder Unschuld unserer Mandanten zu urteilen. Wir tun unsere Pflicht, der Staatsanwalt tut die seine. Und wenn die Gegenseite nur über eingeschränkte Kreativität verfügt, was den Tathergang anbelangt … sei’s drum. Sie hätten ebenso gut wie wir den Poolabfluss untersuchen können. Haben sie aber nicht.«
    »Sie wollen also sagen, dass Sie die DNA-Spuren nicht manipuliert haben?«, fragte Pia hoffnungsvoll.
    »Genauso wenig, wie Canelli seine Frau umgebracht hat, Miss Lindt«, bestätigte Stein, und seine Mundwinkel verzogen sich leicht nach unten, als hätte er Mühe, bei dem Gedanken daran nicht zu grinsen.
    Pia schaute aus dem Fenster, um in Ruhe über Steins Aussage nachzudenken. Wie so oft redete der alte Mann in kurzen Sätzen, mit denen er es trotzdem schaffte, mehrmals die Richtung zu wechseln. Hatte nun Canelli seine Frau erschossen oder nicht? Sie wusste es nicht mehr. Noch lange vor dem Lunch konnte einen dieser alte Mann mit dem Gehstock und dem unfassbar hellen Verstand um selbigen bringen.
    Sie blickte durch die Fensterscheibe nach draußen: Schier endlose Reihen aus hauptsächlich schwarzen, weißen oder silbernen Autos schoben sich im Schneckentempo durch die Häuserschluchten. Vier Spuren ärgerlich hupender Fahrer, die sich gegenseitig die nächsten Zentimeter streitig machten. In der buntesten Stadt der Welt gab es die wenigsten farbigen Autos. Einzig die leuchtend gelben Taxis brachten ein wenig Abwechslung in das Einerlei aus Blech. Im Stop-and-go der Rushhour, die in Manhattan erst weit nach Sonnenuntergang endete, bewunderte Pia wieder einmal die Fahrkünste von Edward, Steins Chauffeur, dem es dennoch gelang, sie wie in einer Sänfte durch die Straßen zu gondeln. Der Mann war noch älter als Thibault, mit einem gütigen Gesicht, wie man es sich von seinem Großvater wünscht. Und er war ebenso charmant.
    Pia ließ sich in das weiche Leder fallen und warf einen Blick zu Stein. Er las seine E-Mails, die er sich heute Morgen von ihr hatte ausdrucken lassen. Sein amüsierter Gesichtsausdruck war verschwunden, er grübelte über etwas, seine Stirn in Falten gelegt.
    »Ist etwas passiert, Mr. Stein?«, fragte Pia vorsichtig.
    »Das könnte man so sagen, Miss Lindt«, gab Stein zu. Er seufzte: »Wir müssen einem alten Freund eine unangenehme Nachricht überbringen. Bitte reichen Sie mir das Telefon.«
    Pia fischte in ihrer Aktentasche nach ihrem Mobiltelefon. Die

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