Judaswiege: Thriller
wenn Sie sich ganz sicher sind, dass kein anderer Täter infrage kommt, dürfen Sie ihn wegen Mordes verurteilen.«
Stein machte eine weitere Kunstpause, bevor er fortfuhr: »Sagen Sie, Mr. Foudy, wie viele Jahre sind Sie schon bei der Polizei?«
»Ich feiere im nächsten Jahr mein fünfundzwanzigjähriges Dienstjubiläum«, antwortete er mit sichtlichem Stolz.
»Man könnte also mit Fug und Recht behaupten, Sie sind ein Experte für Tatorte, oder nicht?«
Der Mann nickte.
Stein kramte in den Unterlagen, die Pia so gedreht hatte, dass er sie bequem lesen konnte. »Bei Tatorten ganz im Allgemeinen … Wo finden Sie meistens Ihr bestes Beweismaterial? Die brauchbarsten Spuren? Nicht auf diesen Fall bezogen, nur ganz im Allgemeinen. Sagen wir von allen Mordfällen, die Sie bisher bearbeitet haben.«
»Nun ja, in aller Regel dort, wo sich die meiste DNA findet. Im Bett, in der Dusche, auf einem Kamm …«
»Zum Beispiel im Abfluss eines Pools?«, fragte Stein mit veränderter Stimme. Sie klang jetzt scharf wie eine Rasierklinge, die durch Papier gleitet. Pia spürte, dass Stein in die entscheidende Phase kam.
»Im Allgemeinen schon …«, setzte der Polizist an, aber Stein unterbrach ihn.
»Und sagen Sie, Mr. Foudy, haben Sie den Abfluss von Mr. Canellis Pool auf DNA-Spuren untersuchen lassen?«
»Das war in diesem Fall nicht notwendig, da ja die Waffe …«
»Beantworten Sie bitte einfach meine Frage, Mr. Foudy: Haben Sie Mr. Canellis Pool auf DNA-Spuren untersuchen lassen?«
»Nein, aber …«
»Sehen Sie, Mr. Foudy, ich schon«, lächelte Stein nachsichtig. »Wie ich schon eingangs erwähnte: Ich kann Sie gut verstehen. Jeder normale Mensch hätte reagiert wie Sie. Er sitzt mit der Waffe am Pool, über die Leiche gebeugt. Sonnenklarer Fall. Sie nehmen ihm die Waffe aus der Hand und versuchen, ihn zu beruhigen.«
»Aber er war ganz ruhig …«, versuchte Foudy für den Staatsanwalt zu retten, was zu retten war. Dieser rutschte jetzt auf seinem Stuhl hin und her und wartete auf die Möglichkeit, gegen ein neues Beweismittel Einspruch zu erheben. Er kramte in seinen Unterlagen, ob er etwas übersehen haben könnte, sein Gesicht war kreidebleich.
»Wissen Sie, was erstaunlich ist, Mr. Foudy? Es gab im Pool Spuren von genau vier Personen: Zum einen von Mr. Canelli und seiner Frau, was nicht verwundern darf angesichts der Tatsache, dass es sich um ihren Pool handelt. Dann vom Poolboy, auch dies wäre kein Grund zur Beunruhigung. Aber es gab noch eine vierte DNA-Spur, Mr. Foudy. Laut dem Reinigungsplan des Pools war der Filter am Morgen getauscht worden. Dieser Jemand muss also am selben Tag in Mr. Canellis Haus gewesen sein – und zwar in der Nähe des Pools oder gar im Pool. Könnte es nicht sein, dass dieser Jemand Mrs. Canelli erschossen hat und sich doch alles so zugetragen hat, wie es der Angeklagte geschildert hat?«
Der Lieutenant gewann Selbstsicherheit zurück: »Nun, theoretisch ja. Aber die Spuren könnten von jedermann stammen. Oder können Sie mir vielleicht sagen, von wem die DNA stammt?«
»Nun, Mr. Foudy, das kann ich tatsächlich«, sprach Stein nun wieder zu den Geschworenen, mit einer kraftvollen Stimme, die wie die eines Fernsehpredigers klang. »Denn er ist wegen Körperverletzung vorbestraft. Es handelt sich um Matteo d’Alba.« Stein deutete mit seinem Gehstock ins Publikum. »Dürfte ich Sie bitten aufzustehen, Mr. d’Alba?«
Im Publikum erhob sich ein dunkel aussehender, grobschlächtiger Kerl mit Lederjacke und grinste schief Richtung Geschworenenbank. Im Saal wurde es schlagartig unruhig, es wurde heftig getuschelt, und einige Zuschauer hielt es kaum auf ihren Bänken. Auch dem Staatsanwalt stand der Mund offen, und Pia war in diesem Moment klar, dass Stein gewonnen hatte. Zumindest diese Jury würde Canelli niemals mehr verurteilen, und die Staatsanwaltschaft würde sich sehr bemühen müssen, wenn sie ein zweites Verfahren erwirken wollte.
Der Staatsanwalt packte seine Sachen zusammen, während er aufstand und nuschelte: »Die Staatsanwaltschaft beantragt, das Verfahren einzustellen.«
Während sich der Richter bemühte, mit dem Hammer für Ruhe zu sorgen, zischelte der Staatsanwalt dem Polizisten zu: »Verdammte Schlamperei, Foudy. Sehen Sie zu, dass Sie Land gewinnen. Und schaffen Sie mir alles über diesen d’Alba ran.«
Pia stand jetzt neben Stein, der die Anweisung des Staatsanwalts mit angehört hatte. Er lächelte spöttisch: »Lieber Herr
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