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Judaswiege: Thriller

Judaswiege: Thriller

Titel: Judaswiege: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Berkeley
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Er begann zu trinken, verließ Mexiko, wo ihn alles an Jessica erinnerte, und kam nach New York. Seitdem arbeitete er als Koch in einem drittklassigen Restaurant an der 42. Straße, das verkochte Pasta an nichtsahnende Touristen verkaufte.
    Laut Stein war er einer der besten Köche, die er kannte, aber Adrian schien die Lust am Essen verloren zu haben. Wenigstens trank er nicht mehr übermäßig und konnte seine Stromrechnung bezahlen.
    Pia hatte die Geschichte tief berührt. Natürlich wussten alle, allen voran die Polizei, dass Jessica von Bingen nicht mehr lebte, nie mehr zu ihrem liebenden Ehemann zurückkehren würde. Ermordet worden war. Aber Adrian hatte keinen Leichnam, den er zu Grabe tragen konnte, und so hatte er sich nie ganz frei machen können von Zweifel und Ungewissheit.
    Wie fühlte es sich an, wenn ein geliebter Mensch einfach verschwand? Wie ging man mit Leere und Trauer um, wenn die Gewissheit fehlte? Pia stellte es sich unendlich grausam vor.
    —
     
    Bevor sie die Klingel zu Steins Wohnung drückte, zupfte sie noch einmal ihre Bluse zurecht. Sie hatte sich für einen etwas modischeren Hosenanzug entschieden als den spießigen Rock von heute Mittag, aber schließlich handelte es sich immer noch um einen Klienten, auch wenn Stein ihn privat empfing, um ihm die horrenden Rechnungen der Kanzlei zu ersparen.
    Im Inneren ertönte ein angenehm dunkler Dreiklang. Pia war noch nie zuvor in Steins Wohnung eingeladen worden, normalerweise fanden alle Besprechungen in der Kanzlei im Erdgeschoss statt. Sie war neugierig, wie ihr Chef wohl leben mochte. Er öffnete die Tür in demselben schwarzen Anzug und mit perfekt gebundener Krawatte wie immer. Wahrscheinlich zog er den edlen Zwirn nicht mal zum Schlafen aus, vermutete Pia. Er begrüßte sie herzlich: »Guten Abend, Miss Lindt. Freut mich, dass Sie es einrichten konnten.«
    Er führte sie in sein Wohnzimmer und bot ihr ein Glas Rotwein an, das Pia dankend akzeptierte. Das Appartement unterschied sich nur in der Einrichtung von der Kanzlei. Auch hier waren die Wände mit dunklem Holz vertäfelt, aber es lag ein dicker Teppich unter dem flachen Tisch, der vor einer riesigen Eckcouch stand. Im Kamin knisterte ein Feuer, und auch in seinem Wohnzimmer wurde Steins Faible für Bücher deutlich: Die gesamte hintere Wand nahm ein Regal ein, das mit alten Bänden geradezu vollgestopft war. Pia wusste nicht, was Stein tun wollte, wenn er auch nur ein einziges weiteres Exemplar darin unterbringen musste.
    Als sie sich auf dem Sofa gegenübersaßen, fragte Stein das erste Mal nach ihrem Privatleben, allerdings zurückhaltend, als wolle er sie nicht drängen. Pia genoss den schweren Rotwein, der nach Brombeeren und Ebenholz duftete, und beantwortete geduldig seine Fragen. Sie hätte gar nicht gewusst, was sie ihm hätte verschweigen sollen.
    Um kurz nach acht klingelte es an der Haustür. Stein wollte sich schon auf seinen Gehstock gestützt aus der bequemen Couch stemmen, als Pia ihn zurückhielt: »Warten Sie, ich mache das schon. Ich kenne ja jetzt den Weg.« Stein lächelte dankbar.
    Als Pia die Haustür öffnete, war sie ehrlich überrascht. In ihrer behutsam geschürten Erwartungshaltung hatte sie entweder einen Koch mit Schmuddelhemd oder einen langweiligen Blaublüter mit Karojackett erwartet, aber nicht einen smarten Mittdreißiger, der noch viel besser aussah, als es die Stimme am Telefon versprochen hatte: Er trug ein offenes weißes Hemd, Jeans und eine Lederjacke, die irgendwie … reichlich mitgenommen aussah. Unter einem wuscheligen Lockenkopf blitzten sie zwei grüne Augen an.
    »Guten Abend, Miss Lindt, nehme ich an. Mein Name ist Adrian von Bingen«, begrüßte er sie und schüttelte ihr die Hand.
    »Pia Lindt. Freut mich, Sie kennenzulernen. Kommen Sie rein, Mr. Stein wartet schon.«
    Er betrat die Wohnung und lief schnurstracks Richtung Wohnzimmer, ohne sie weiter zu beachten. Er kannte sich aus, vermerkte Pia, und konnte nicht umhin, ihn nochmals zu mustern: Sie schätzte ihn auf 1 Meter 85, und er hatte eine Figur, die man als Koch in Pias Augen gar nicht hätte haben geschweige denn behalten können. Seine Unterarme waren kräftig, aber nicht übermäßig muskulös, seine Hände hatten schlanke Finger, nur zwei kleine Pflaster wiesen auf die Arbeit am heißen Herd hin, und er roch nach Gras statt nach Fett. Ein überaus attraktiver Blaublüter, der gar nicht aussieht wie ein Hilfskoch, stellte Pia fest.
    Stein begrüßte ihn herzlich. Sie

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