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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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sehen Sie schlicht und einfach mich. Erkennen Sie mich wieder?
    So, nun muß ich für heute leider schon wieder schließen.
    Bis zum nächsten mal bin und bleibe ich Ihr alter
    Jürgen Bartsch134
    ***
    … Die Kinder in Rheinbach sind eben wie Menschen behandelt worden. Ich bin weitaus menschlicher behandelt worden als zu Hause. Aber meine Beziehungen zu den anderen Kindern waren genauso beschissen wie auch zuvor, nur, daß das Schlagen wegfiel. Kinder unter zehn Jahren sind ja meistens Sadisten.
    Diese Heimunterbringung habe ich als Schofligkeit und Gemeinheit empfunden, was ein Kind eben empfindet. Ich war traurig dort. Irgendeine Lage kann noch so beschissen sein, aber was Sie haben, das wissen Sie. Aber was kommt, das wissen Sie noch lange nicht. Nicht nur zu diesem Zeitpunkt, sondern des öfteren waren das meine Gedanken. Ich übertreibe es jetzt ein bißchen, absichtlich, aber Sie können schon in der Hölle leben und vielleicht auch lieber in der Hölle bleiben, weil Sie ja nicht wissen, ob Sie vielleicht nicht in eine Superhölle geraten. Das ist eben so, obwohl ich natürlich im Heim in Rheinbach vieles besser hatte hinterher, als ich es zu Hause hatte.
    Trotzdem empfand ich diese Heimunterbringung als eine Art Strafe. Ich glaube, meine Eltern haben mich damals angebrüllt, «So geht das nicht weiter mit dir!» oder so. So was war bestimmt da. Außerdem haben Sie Geld sparen können. Das Heim in Rheinbach kostete pro Monat DM 250,– bis 350,–, Marienhausen dagegen höchstens DM 150,–.
    ***
     

11   Briefe V
    [Prof.   Roeder war der Neurochirurg, der für Jürgen die stereotaktische Gehirnoperation so begeistert empfahl. Anscheinend hatte mir Jürgen ein Gedicht und einige Karten (mittlerweile verloren) geschickt, die mit Kindern zu tun hatten.]
     
     
    Willich-Anrath, den 7.   12.   70
     
    … Das Gedicht? Die Karten? Beide drücken dasselbe aus: einmal die bei mir vorhandene ganz normale (ohne jede Sexualität) Liebe zu Kindern, die neben dem bösartigen Trieb schon seit je existiert. Prof.   Dr.   Rasch fragte mich einmal, wie man, beides in der Seele, leben, weiterleben könne. Ich konnte ihm nur sagen, daß das schwer, sehr schwer ist.
    Zum anderen manifestiert sich in beiden, Karte und Gedicht, ganz besonders mein Wunsch nach der «Zeitmaschine», mit deren Hilfe ich mich in die «Marienhausener» Zeit versetzen könnte, und, ohne daß ich das wüßte (daß es zum Beispiel schon das zehnte Mal wäre), immer und immer wieder die zwei Jahre dort erleben könnte.
    Nun könnte man sagen, daß es dann dort ja wohl «so arg nicht gewesen sein könne». Das ist schlicht Quatsch. Es war die Hölle. Eben diese Hölle würde ich mit genausoviel Schmerz wie damals ertragen müssen, aber ich würde sie ertragen um des unglaublichen Solidaritätsgefühls unter den Jungen willen, der Solidarität, der Gemeinschaft willen, wenn es galt, Sadisten zu ertragen; in solchen Minuten und Stunden waren wir nur noch ein Wesen, ein Körper.
    ***
    [Kurz vor dem Revisionsprozeß veröffentlichte ich zum erstenmal (im
ZEITmagazin
) Auszüge aus Jürgens Briefen. Der folgendeBrief – nicht an mich, sondern an Jürgens geliebte Tante Marthea – enthielt die erste Meldung, daß der Inhalt der Briefauszüge seinen Eltern mißfallen hatte. Zu diesem Zeitpunkt führte er einen Briefwechsel mit einer Brieffreundin, Yvonne.]
     
     
    Düsseldorf, den 3.   1.   1971
     
    Habe vielen Dank für Deinen letzten Brief, den langen. Zu Herrn Moor: Es ist richtig, daß Mami und Papi ihn nicht leiden können. Sie können ihn nicht ausstehen. Weil 1.) Herr Moor sich nicht scheut, auch unangenehme Wahrheiten zu sagen, die insbesondere Mami nicht immer gefallen. Was aber 2.) das Wichtigste ist, und das sage ich Dir im Vertrauen!: Herr Moor ist freier Journalist, muß sich also sein Brot äußerst schwer verdienen; er hat keinen Verlag, der schnell mal ein paar Tausender für ein Interview auf den Tisch legen kann.
    Mami und Papi hatten 1966 und 1967 ohne meine Einwilligung an die NEUE quasi meine persönlichen Briefe an sie (Eltern) verkauft. Ich habe das erst erfahren, als die Sache perfekt war. Mami und Papi haben damals einen Geldbetrag dafür erhalten, dessen Umfang ich hier nicht nennen will (den sie für mich verwandt haben). Desweiteren (ebenfalls Geld) beim «Constanze»-Interview, und nochmals von der NEUEN 1968.   All das Geld, das muß ich der Objektivität halber sagen, haben sie für mich ausgegeben.
    Auch jetzt hat

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