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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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oder drei Tage später ist der Mann, ein Angestellter, aus dem Heim geflogen.
    Ich habe Detlef geliebt. Wie jeder Andere von uns Jungs habe ich den Drang gehabt, mal irgend etwas in sexueller Beziehung mit anderen Jungs zu machen, aber ich habe es nie geschafft und nie getan, weil ich eben so furchtbare Angst vor den schweren Prügel hatte, obwohl ich, mein Gott, manchmal schon ganz, ganz wild hinterher war.
    Das zweite Mal, wo ich aus Marienhausen ausriß, kam Detlef mit. Wir liefen in Richtung St.   Goarshausen. Direkt neben dem Bahnsteig gingen direkt in die Höhe die Weinberge, fünf oder sechs Meter von der Straße entfernt. Da haben wir Weintrauben gegessen.
    Ein Zug kam uns entgegen, und ich versuchte, Detlef unter den Zug zu stoßen. Das war an sich eine Angelegenheit von keiner richtigen Überlegung. Wenn überhaupt, habe ich nur ein paar Sekundenbruchteile überlegt, aber nicht mal eine Sekunde. Das ging einfach blitzschnell. Ich hatte bloß den einzigen Gedanken: «Wenn du ihn jetzt unter den Zug wirfst, dann ist er tot und kann sich nicht wehren, dann kannst du ihn ganz nackt ausziehen.» Vorher, als wir da entlanggingen, war kein sexueller Gedanke.
    Ich ging hinter ihm, links neben dem Gleis. Der Zug kam uns entgegen. Ich habe ihn einfach geschubst, aber er hat sich gefangen. Er ist bis zur anderen Seite gestolpert. Er fragte böse, ob ich verrückt wäre. Ich habe ihm gesagt: «Du spinnst, ich bin nur gestolpert!» Sie müssen mir glauben, es gab niemanden, der erschreckter war als ich. Auch anschließend. Danach ging er ungefähr zehn oder fünfzehn Meter vor mir, und die nächste Zeit kam er nicht mal in meine Nähe. Vielleicht zwei Stunden lang ging er absichtlich nur vor mir.
    Wir gingen noch ein paar Stunden bis zur Loreley. Da steht eine Bank am Felsen, und da haben wir uns hingesetzt. Dann sind wir nach St.   Goarshausen reingegangen. Ich war entsetzt – aber nur so lange, bis die sexuellen Gedanken wieder kamen. Nach ein paar Stunden kamen sie ja wieder, und da war es mit dem Entsetzen vorbei. Was ich da versucht hatte, das hatte ich vergessen.
    In Goarshausen haben wir uns in einem Bauwagen zum Schlafengelegt. Auf dem Wege, bevor das mit dem Zug passierte, hatte ich mich mit sexuellen Gedanken überhaupt nicht beschäftigt. Das fing blitzartig mit dem Zug an. Und dann nach dem Entsetzen und dem Erschrecken setzten die sexuellen Gedanken wieder ein. Noch zweimal habe ich versucht, etwas mit Detlef zu machen. Erstmals haben wir in der Baracke nebeneinander geschlafen. Ich bin aber erst wach geblieben und habe dann versucht, seine Hose aufzumachen, an ihm rumzufummeln, aber er hat geknurrt und hat sich auf die andere Seite gedreht.
    Nachdem die Verstimmung zwischen uns eingetreten war, habe ich zwei oder drei Stunden einen richtigen Kater gehabt. Ich war richtig enttäuscht und deprimiert von mir selbst, in einer richtigen Reuestimmung.
    Da in der Baubude hat es gar keine Gewalt gegeben. Ich habe mit ihm rumgebalgt, und wir haben gerungen, aber ich habe ihn nicht geschlagen, geschlagen hätte ich ihn nie.
     
    [Am nächsten Morgen wurden die beiden von der alarmierten Polizei festgenommen und vorübergehend eingesperrt.]
     
    Nachher saßen wir zusammen auf den Matratzen, und da kam es wieder. Ich habe versucht seine Hose aufzumachen. Ich wollte ihn ausziehen. Das war so stark, ich konnte im Moment nichts daran machen, aber ich bin zu nichts gekommen. Er wollte nicht. Später, bei meinem ersten Prozeß, habe ich mich ganz furchtbar geärgert, als der Vorsitzende mit Detlef darüber sprach. Auf einmal fragte ihn der Vorsitzende: «Und in Marienhausen haben Sie irgendsowas mit einem anderen Jungen gemacht?» – «Ja, ja, » sagte Detlef, «ist doch selbstverständlich!» Ach, Mensch, ich hätte ihm ins Gesicht springen können, glauben Sie mir das! Ich meine, woher sollte er das vorher wissen, daß ich das heimlich in Marienhausen so gern gemacht hätte? Das konnte er ja nicht wissen! Heute, als erwachsener Mann, interessiert er mich sexuell überhaupt nicht, aber so einen Menschen wiederzusehen und dann festzustellen, daß er immer noch denselben Sprachfehlerhat, da kommt das einem ein wenig hoch, sentimental meine ich, und man muß sich selber fragen: Warum ist er denn älter geworden, der Idiot. Wenn er nicht älter geworden wäre, dann wäre er wahrscheinlich mein Traum.
    Mein Adoptivvater ist aus Essen nach Goarshausen gekommen und hat uns nach Hause gebracht. Dann kam die übliche

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