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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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es mir sehr leid täte, was ich ihm damals angetan hätte. Es kam eine Karte zurück, die aussah, als ob seine Mutter sie diktiert hätte. Das wäre alles nicht so schlimm, man könnte sich ja mal treffen, oder so. Daraufhin habe ich noch einmal geschrieben, habe aber niemals eine Antwort bekommen.
    Nein, ich habe zu der Zeit kein Gespräch mit einem Erwachsenen geführt, deswegen, ich muß mir allein dafür, obwohl ich noch ein Kind war, die Schuld geben. Ich habe zwar gefühlsmäßig gewußt, geahnt mehr, daß nicht alles in Ordnung war, aber ich wollte es auch nicht wahrhaben, ich wollte es nicht wissen. Ich hatte ‹Angst vor der Wahrheit›, wenn ich es mal so sagen darf. Ich muß Ihnen allerdings dabeisagen, daß ich vor der ersten Tat gar nicht wußte, was im einzelnen «homosexuell» usw. war. Damals hatte ich große Angst, daß ich als einziger so wäre.
    Nach der ersten Tat wußte ich durch Zeitungen usw. mehr, und gestand meinem Vater ja, wie Sie wissen, daß ich den Frank B. im Bunker ausgezogen hatte. Natürlich hätte ich es damals meinem Vater sagen können. Und wohl auch müssen. Vielleicht, oder sogar wahrscheinlich, hätte ich damals, nach der ersten Tat, noch eine Chance gehabt: Aber ich empfand es als «zu spät», und glaubte auch damals schon «nicht mehr zurückzukönnen».
    So sagte ich ihm nur die Sache mit Frank B. und verharmloste sie sogar noch. Es wäre «halb so schlimm» gewesen, sagte ich. So ahnten mein Vater und meine Mutter nichts Böses. Halt – man kann natürlich nicht sagen gar nichts Böses, sondern nichts sehrBöses, denn auch meine Mutter wußte ja von der Sache Frank B., und sprach auch mit der Mutter des Jungen, der mit in unserem Haus wohnte. Sie mußte also wissen oder ahnen, daß mit dem ‹Sex› irgend was nicht stimmte. Aber sie sagte ja und glaubte es wohl auch, daß es «Kindereien» waren, wie sie damals sagte. Zu mir haben meine Eltern ansonsten nie mehr darüber gesprochen.
    Da ich mich mit meinen Eltern damals nicht allzugut verstand, wie Sie wissen, war ich im allgemeinen ziemlich auf «Abwehr» eingestellt. So daß es gar nicht sicher ist, daß ich nicht vielleicht sogar sehr wütend gewesen wäre, hätten sie versucht, auf die «weiche Tour» ein Gespräch darüber zu beginnen.
    Herr Moor, es stimmt zwar, daß ich einmal auch bei einem Mädchen «dieses Gefühl» hatte, aber da war ich doch erst im dritten (!) Schuljahr, so daß ich etwa 8   Jahre alt war und das Mädchen auch. Es ist hinterher, nach dieser, selbst (oder erst recht?) für ein Kind, Enttäuschung, nie mehr passiert. Später hatte ich zwar einen Sinn dafür, ob ein Mädchen gut aussah oder eine Schreckschraube war, aber keine inneren, tiefergehenden Gefühle. Es war wohl mehr ‹Ästhetik›.
    Es heißt ja, Herr Moor, daß ‹der Mensch ein Gewohnheitstier› sei. Und man hält im allgemeinen auch viel mehr aus, als man sich zuerst selbst zutraut. Jetzt, wo ich tagsüber Arbeit habe, merke ich es nicht so, aber das Asthma, vegetative Dystonie, oder wieviel Namen es dafür gibt, ist noch da. Aber, wie gesagt, zumindest für eine Zeitlang kann man sich daran gewöhnen. Nur das «Spucken» dabei ist sehr lästig. Sie werden es ja wissen, Sie sagten ja, Sie haben es selbst gehabt. Je nachdem, wie sehr die Bronchien usw. sich verkrampfen, ist man gezwungen, die Luft ganz ruckartig mit viel Wucht auszustoßen. Wenn man dann mit jemandem spricht, muß derjenige natürlich einen Regenschirm aufspannen. Weil ich so «nervös» bin, tun mir auch die Augen oft weh, ich kann auch kaum noch Sonne vertragen. Das alles sind Dinge, die ich nicht ändern kann, und die wahrscheinlich sogar typische Einzelhaft-Beschwerden sind. Aber es hat zur Folge, daß ich zur Zeit das Wort «schlafen» am liebsten höre. Ich möchte Tag und Nachtschlafen, alles andere ist mir über und macht mich verrückt. Aber trotzdem möchte ich Ihnen doch sagen, daß ich sehr froh bin über den Kurs, welchen Sie mir schickten. Es hilft doch immer etwas gegen die Verkrampfung.
    Von meinem «dunklen Drang», wie es der U.-Richter nannte, habe ich noch nichts wieder gespürt. Mich wundert das im Moment auch gar nicht. Aber wenn mal alle Beschwerden erst wieder weg sein sollten, dann o je, o je   …
    Schulen: etwa 1951   Herbst bis höchstens Frühjahr 1952   Kindergarten.
    April 53   Einschulung Bardeleben-Volkssch. Essen-Holsterhausen.
    April 57 in’s Kinderheim «Wiesengrund» Dr.   Dawo in Rheinbach/​Bonn (Schule in der

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