Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders
brav sei.
Der Gedanke, die Idee, der Plan war jetzt, zu der Zeit, also ich glaube es war noch 1960 oder Anfang 1961, ich war auf jeden Fall noch vierzehn Jahre, in etwa fertig. Aber ob ich ihn damals schon hätte ausführen können, möchte ich nicht unbedingt behaupten. Ich glaube es nicht recht, denn später, 1962, kurz vor der ersten schweren Tat, hatte ich ja einen anderen Jungen schon bis zur Höhle gezwungen, aber ich konnte es noch nicht tun. Noch nicht.
Diese Phantasien mit dem Schneiden fingen also schon an, als ich zur Volksschule ging. Im Prinzip waren sie so wie heute, so war zum Beispiel das Abschneiden des Geschlechtsteiles und das Ausweiden von Anfang an dabei. Nur wurden die Vorstellungen nach und nach noch sadistischer (Finger, Zehen …).
Mit dem Onanieren habe ich mit zwölf Jahren begonnen, und ich bin von alleine daraufgekommen. Wie sagt man, «die Natur findet ihren Weg …» oder so. Im Internat Marienhausen, dort war ich ja zu der Zeit, war es wegen «Verdachtes auf ‹Sauereien»› sogar verboten, daß die Unterstufe (4. Klasse) miteinander auf dem Hof spielten. Jede «Stufe» mußte beim Spiel unter sich bleiben.
So wäre es zum Beispiel fast zu einer Freundschaft zwischen mir (7. Klasse) und einem Jungen aus der fünften Klasse gekommen. Er hieß Erich, war hellblond, und ich hatte ein paar Tage mit ihm gespielt, kurz gesagt, wir mochten uns. Er war der Sohn eines Düsseldorfer Gastwirts. Nun wurde es von PaPü bemerkt, daß wir zusammen spielten, und er verbot es uns.
Kurz zuvor hatte Erich mir erzählt, daß er in den Schlafsaal der Oberstufe (der Schlafsaal seiner Stufe war überfüllt, denn natürlich stimmten die Zahl der Schüler in den Klassen und der Betten in dem jeweiligen Schlafsaal nicht immer ganz genau überein) verlegt werden sollte. Aber als er abends mit seinem Bettzeug anmarschiert kam, wußte PaPü einen Weg, diesen Umzug zu verhindern. Pütlitz war nicht oft im Schlafsaal, er schlief niedort, aber «zufällig» war er eben an diesem Abend da. Vielleicht lag es auch z. T. daran, daß Erich in das Bett neben mir verlegt werden sollte.
PaPü hat nie mich im besonderen hart und brutal geschlagen. Er nahm allerdings keine Rücksicht auf mich. Es war vielmehr so, daß ich in der Schule an sich sehr gut war, so hätte er mich dort kaum schlagen können; Sie haben mich etwas falsch verstanden. Ich bekam immer dann mein Teil ab, wenn er «so längs der Reihe prügelte», wie etwa beim Singen, wenn er da irgendwo einen falschen Ton hörte mit Hilfe seines Tonbandes, so machte er sich keine Mühe, herauszufinden, wo der «Übeltäter» steckte, sondern die 4 oder 5 Mann neben demjenigen steckten genauso viel ein. Mein Pech, daß ich klein, Sopran war und folglich in der ersten Reihe stand. Oder wenn wir in Doppelreihe vor dem Speisesaal standen und durchbrachen das befohlene «Silentium». Oder wir waren beim Kartoffellesen, Rübenziehen oder Heuwenden nicht rasch genug, da setzte es auch immer etwas.
Aber, Sie wissen ja, wenn ein Junge mit vier oder fünf anderen zusammen Prügel bezieht, heult man eben zusammen anstatt alleine und man kommt eher drüberweg, zumindest scheint es einem selber so … Alleine hat PaPü mich, so weit ich weiß, nicht, oder sowenig, einmal oder so, geschlagen. Das besorgten schon andere.
Der Diakon Hamacher hat mir mal abends im Schlafsaal (ich hatte gesprochen, und es herrschte abends strenges Silentium) eine gewischt, daß ich unter ein paar Betten entlang gerutscht bin. Kurz davor hatte der «Pater Katechet» ein großes Tafel-Lineal auf meinem Hinterteil zerschlagen und verlangte allen Ernstes, ich solle es bezahlen. Er (der Katechet) hatte eine Sammlung für Negerkinder in unserer Klasse durchgeführt, und als er die Liste aufs Pult legte, sagte ich halblaut: «Da kauft der Katechet sich Kaffee von.» Doch jeder, auch der Pater Katechet, hatte gehört, daß es nicht böse gemeint war.
Wieder etwas vorher, in der 6. Klasse, schlug der Diakon Appelmich auf dem Sportplatz mit der Faust derart in’s Gesicht, daß ich, und nehmen Sie das bitte wörtlich, «aus den Schuhen» kippte. Denn als ich wieder aufstand, hatte ich keine Schuhe mehr an. Warum das geschah? Ich stand mit einem anderen Jungen hinter ihm (Appel), und wir sprachen von Schlangen; Appel schnappte das Wort «Schlange» auf, und schon war es passiert, er bezog die «Schlange» nämlich auf sich. Diese Sache hatte mich damals, weil sie so vollkommen
Weitere Kostenlose Bücher