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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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dürfte man die überhaupt derartig einfach, derartig simpel sehen und ausdrücken?
    2.) Wenn der Staatsanwalt und die Kripo zur Unterstützung ihrer These (intelligent raffiniert, aus Angst vor Strafe) meine Intelligenz anführen, warum, wenn sie auf meine Antwort entgegnen, «nicht beherrschen können» sei mit völliger Raserei gleichzusetzen, warum glaubten sie dann, das Recht zu haben, eben diese meine Intelligenz nun plötzlich wissentlich nicht in Betracht zu ziehen? Das fand ich damals schon nicht besonders fair.
    3.) Gibt es nicht einen ganz fundamentalen Unterschied zwischen der Handlungsweise eines Triebtäters von ziemlicher Primitivität und eines Triebtäters, der ziemlich intelligent ist? Wenn der primitive Täter sich nicht mehr beherrschen kann, wenn der Trieb übermächtig wird, wie wird er handeln? Wenn der intelligente Täter sich nicht mehr beherrschen kann, wenn der Trieb übermächtig wird, wird er also «logischerweise» genau so handeln? Der primitive Täter, ist er gezwungen, schon an ein neues Verbrechen gleicher Art zu denken? Der intelligente Täter, ist er gezwungen, schon an ein neues Verbrechen zu denken? Kann man die beiden miteinander vergleichen, stehen sie auf einer Stufe, können sie auf Grund ihrer verschiedenen Wesensart überhaupt in genau gleicher Situation (überstarker Trieb) genau gleich handeln?
    Diese Fragen zu beantworten, bin ich nicht der richtige Mann, ich darf es auch gar nicht, weil ich vielleicht befangen bin. Was traurig ist, ist allenfalls, daß Kripo und Staatsanwalt sich selber diese Fragen nie gestellt haben.
     
    26.   Wie betrachtest Du Dein Verantwortungsbewußtsein? Wie begründest Du Deine Antwort?
     
    [Diese Stelle ließ Jürgen ursprünglich offen; erst im darauffolgenden Brief kam seine Antwort.]
     
    Die Frage 26. habe ich im letzten Brief ausgelassen. Damit Sie sehen, wie verantwortungslos ich bin? Nein, weil der Platz nicht reichte. Leider muß ich aber, ganz ernst jetzt, bekennen, daß ich glaube, nicht völlig verantwortungslos zu sein. Ich bin aber überzeugt, daß es stark zu wünschen übriggelassen hat, besonders bis zur Verhaftung. Damit meine ich nicht die großen Verbrechen, weil ich meine, da nicht anders gekonnt zu haben. Ich meine meine Streifzüge nachts in Lokale, meine Diebstähle zu Hause, mein leichtsinniges Autofahren, was völlig verantwortungslos war usw. Da habe ich sehr viel aufzuholen, ich habe mich da oft einfach treiben lassen, ich will mich aber bestimmt bessern, leicht gesagt natürlich, aber ich meine es ganz ernst, daß ich mehr, viel mehr Verantwortungsgefühl haben will und mich schon darum bemühe, aber darüber spricht man nicht.
     
    27.   Meinst Du, einen zuverlässigen Sinn für Recht und Unrecht, Gut und Böse, zu besitzen?
     
    Ich glaube, daß ich einen durchschnittlichen Sinn (wie die meisten anderen auch) für Gut und Böse habe. Allerdings kommt man dabei, ob gut oder böse, um das herauszufinden, nicht allein mit den zehn Geboten aus. Man muß versuchen, im eigenen Denken hartnäckige Vorurteile auszuschalten, was gar nicht so einfach ist. Nein, ich war nicht ehrlich, ich habe gestohlen und habe gelogen, um das zu verbergen. Aber ich bin stolz (!) darauf, schon lange nicht mehr gelogen zu haben. Wie gesagt, habe ich so oft leider nicht die Wahrheit gesagt, trotzdem halte ich mich für wahrheitsliebend. Ich habe immer gelogen, um etwas zu erreichen, ich mußes zugeben. Auch oft, um Unannehmlichkeiten zu entgehen. Aus großer Phantasie gelogen zu haben, kann ich mich nicht erinnern.
     
    28.   Bist Du abergläubisch?
     
    Nein.
     
    29.   Läßt Du Dich von anderen leicht leiten (führen)? Bitte Beispiele.
     
    Was heißt hier Beispiele? Immer und ewig, zu meinem eigenen Kummer. Wenn andere laufen, laufe ich mit, wenn andere Anhalter fahren oder in die Wirtschaft gehen, gehe ich mit usw., usw. Einmal, weil ich, wenn ich es nicht tun würde, ein großes Gefühl von Einsamkeit hätte, und zum anderen, weil ich sonst das Gefühl hätte, als Schwächling zu erscheinen, mehr noch, als ich es sowieso schon bin.
     
    A.   Gedächtnis
     
    30.   Was hältst Du von Deinem Gedächtnis? Gut, mittelmäßig, schlecht?
     
    Mein Gedächtnis ist für Erlebnisse geradezu hervorragend, für Telefonnummern auch noch gut, und Schlager und Gedichte usw. Seltsamerweise für Daten aber sehr schlecht. Mein Gedächtnis ist für ältere Geschehnisse entschieden besser. Was ich heute gegessen habe, werde ich morgen nicht

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