Jürgen Klopp: Echte Liebe
am 25. Spieltag gegen Werder Bremen der Knoten: Das Elfmetertor von Alexander Frei bescherte den Borussen den ersten »Dreier« der Rückrunde. Den sieben sieglosen Spielen folgten sieben Siege in Serie.
Zunächst ging es Klopp darum, »mehr« zu machen als die Konkurrenten, sie förmlich nieder zu rennen. Doch mit der Zeit wurde das »wie« immer wichtiger: »Mittlerweile laufen wir deutlich klüger: Wir haben mehr eigenen Ballbesitz und müssen bei gegnerischem Ballbesitz nicht mehr ganz so weite Wege zurücklegen.« Die Wahrscheinlichkeit, ein Spiel zu gewinnen, lässt sich nicht allein anhand der bewältigten Kilometer festmachen. Inzwischen hat der BVB hervorragende Spiele mit geringerer Laufleistung absolviert, ebenso schwächere mit enormer Laufleistung. Doch insbesondere in schlechteren Phasen dient sie Klopp als zusätzliches »Beweismittel«.
Torjubel mitgerechnet?
Mirko Slomka, seit Januar 2010 Cheftrainer bei Hannover 96, fand eine humorige Erklärung für die hohen Laufleistungen des BVB. Beim Internationalen Trainerkongress 2011 in Bochum frotzelte er, dass bei den Dortmundern das Laufen beim kollektiven Torjubel mitgerechnet würde – und dazu gab es in der Meistersaison 2010/11 schließlich satte 67 Mal Gelegenheit, während Hannover als Vierter »nur« 49 Treffer erzielte …
Klopp war wie gewohnt um keine schlagfertige Antwort verlegen: »Stimmt, allein gegen Hannover haben wir zweimal vier Tore geschossen, das sind schon 400 km extra …« Der BVB hatte die Partien mit 4:0 (auswärts) und 4:1 für sich entschieden.
Fakten, nichts als Fakten
Wie laufintensiv das Dortmunder Spiel unter Jürgen Klopp ist, verdeutlicht auch ein Blick auf die Datenanalyse. Im ersten Saisonspiel 2011/12, zuhause gegen den Hamburger SV, offenbarte das Erfassungssystem der Bundesliga-Datenbank IMPIRE 36 interessante Daten: Bei 58 Prozent Ballbesitz waren die Borussen insgesamt 124,67 Kilometer gelaufen – und damit gut zehn Kilometer mehr als der HSV (113,7). Alleine Sven Bender erwies sich mit 12,9 Kilometern einmal mehr als unermüdliche Arbeitsbiene.
In punkto Sprints war der BVB seinem Kontrahenten ebenfalls überlegen: 193 gegenüber 150. Auch die Fehlpassquote bestätigte den überwiegend einseitigen Spielverlauf: Während bei den Hanseaten beinahe jeder vierte Ball (23,6 Prozent) sein Ziel verfehlte, waren dies bei den Hausherren nur 13,6 Prozent.
An der Transparenz dieser Daten, die neben Vereinen auch interessierten Medien und somit der Öffentlichkeit zugänglich sind, wurde zu Saisonbeginn vereinzelt Kritik laut. Befürchtet wurde die Entstehung eines »gläsernen Profis«, der nur noch über die Laufleistung definiert wird – und dabei Profis mit geringer Laufleistung »gebrandmarkt« werden, obwohl dies positionsbedingt begründbar sein kann. Seither ist zumindest gefühlt ein sensibilisierter Umgang mit den Daten wahrzunehmen.
Stetige Entwicklung nicht nur des Spiels,
sondern auch der Spieler
Dank seiner vielschichtigen Arbeitsweise gelingt Klopp tatsächlich das, was Jürgen Klinsmann zu seinem Amtsantritt beim FC Bayern 2008 als Anspruch ausgegeben hatte: »Jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser zu machen.« Als Beleg dienen einige Spieler aus dem Borussen-Kader der Saison 2011/12.
Kevin Großkreutz kehrte 2009 vom damaligen Zweitligisten Rot-Weiß Ahlen nach Dortmund zurück und galt als Mann zur Kaderverbreiterung – sprich: ein Spieler für die Ersatzbank. Doch Großkreutz, der als Jugendlicher selbst auf der Dortmunder Südtribüne stand, beackerte wie kein Zweiter die linke Seite und kämpfte sich mit unbändigem Einsatzwillen in die erste Mannschaft. Verdienter Lohn: In der Meistersaison 2010/11 kam Großkreutz in jedem Liga-Spiel zum Einsatz. Da Klopp den gebürtigen Dortmunder auch noch taktisch wie technisch verbesserte, feierte er im Mai 2010 beim 3:0 Deutschlands gegen Malta sein Nationalmannschaftsdebüt.
Ein weiteres Beispiel ist Sven Bender: Zwar war der damals 20-Jährige, als er 2009 von Zweitligist 1860 München zum BVB kam, kein unbeschriebenes Blatt mehr. Die bronzene Fritz-Walter-Medaille des DFB, die Bender 2006 als einer der herausragenden Nachwuchsspieler erhielt, dokumentierte schon damals sein besonderes Talent. Doch wie viele Talente stagnierten in ihrer Entwicklung, weil ihre Trainer nicht den Mut besaßen, sie regelmäßig einzusetzen und ihnen Spielpraxis zu geben? Klopp hat diesen Mut. Sicherlich auch bedingt durch die langfristige Verletzung von Kapitän
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