Jürgen Klopp: Echte Liebe
beste Team, gegen das wir jemals gespielt haben. So hat uns noch nie jemand verprügelt.« Und Fergusons Bewertung hat Gewicht, schließlich coacht der Schotte die »Red Devils« bereits seit 1986.
Faszinierend ist, dass der Siegeshunger Barcelonas trotz aller Triumphe nicht zu versiegen scheint. Die Spieler prägen eine fast beispiellose Ära, in der jeder Titel eine Verpflichtung für weitere darstellt. »Über jedes Tor jubeln sie so, als hätten sie noch nie eins geschossen. Du hast nicht das Gefühl, als würden sie satt«, staunt auch Klopp. In diesem Moment wird auch klar, dass nicht zu erwarten ist, dass sich Klopp nach gewonnener Meisterschaft als Typ verändern wird. Auch sein Erfolgshunger bleibt.
Zurück zu Barcelona, das auf dem Spielfeld stets einen konkreten Plan verfolgt, der den Spielern nicht nur vorgegeben, sondern ihnen mit seinen Hintergründen erklärt wird, wie sie in Interviews selbst betonen. Auf diese Weise handelt die Mannschaft nicht nur nach der Philosophie ihres Trainers, sondern verinnerlicht sie auch. Ein Verdienst von Pep Guardiola. Klopp hebt zudem die Uneigensinnigkeit der Katalanen hervor, obwohl fast jeder von ihnen auch ein herausragender Einzelkönner ist: »Ein Xavi oder Andrés Iniesta berauschen sich null am eigenen Ballbesitz, der interessiert die gar nicht, die geben den Ball weg. Xavi hat in einem Interview mal sinngemäß gesagt: ›Ich spiele den Ball ab, kurz bevor der Gegenspieler kommt – das ist für mich der schönste Moment.‹ Das ist sein Ding. Und das ist derzeit das Vorbild schlechthin, das es im Weltfußball gibt.«
Konzentration wie bei Albert Einstein
Im Ergebnis beherrscht der FC Barcelona derzeit den europäischen Fußball wie kein Team mehr seit dem AC Mailand vor gut zwanzig Jahren, damals unter Taktikgenie Arrigo Sacchi und den niederländischen Weltstars Ruud Gullit, Frank Rijkaard und Marco van Basten.
Hoffnung, das Niveau Barcelonas eines Tages erreichen zu können, macht sich Klopp nicht: »Wir werden alle nicht dahin kommen, denn selbst wenn wir den gleichen Plan hätten, würden uns doch die Spieler dazu fehlen.« Doch lässt sich diese Mannschaft, wenn schon ihr Niveau nicht dauerhaft erreicht werden kann, dann zumindest gelegentlich besiegen? Barcelona müsse auf die Mannschaft warten, die sich neunzig Minuten lang zutraue, »hoch zu verteidigen« und bereit sei, die »kleinen Zweikämpfe« zu verlieren, so Klopp. Denn bei intelligenter Zweikampfführung, bei der Barça seinen Gegner nicht vorführen und sich nicht in einen Rausch spielen könne, bestehe dann auch die Möglichkeit, die Übermannschaft zu besiegen, ist Klopp überzeugt – schränkt zugleich aber ein: »Das über neunzig Minuten durchzuhalten, ist vermutlich eine Konzentrationsleistung, die zuletzt bei Albert Einstein geleistet wurde.«
Erfahrung sammeln in Sevilla
Alles andere als begeistert war Klopp hingegen von jenem Fußball, den Barcelonas Ligarivale FC Sevilla im Dezember 2010 gegen die Borussia vollführte: Im letzten Vorrundenspiel der Europa League stand es in Andalusien zwischen beiden Teams 2:2; ein einziges Tor fehlte den Westfalen zum Weiterkommen. Doch die Gastgeber retteten das Remis unter Verwendung aller taktischen Mittel über die Zeit. Noch ein halbes Jahr später ereiferte sich Klopp: »Wir haben in der vergangenen Saison eine Europa-League-Gruppe mit Sevilla und Paris Saint Germain gespielt (…) Wir haben da viele wertvolle Erfahrungen gesammelt. Zum Beispiel, wie sich Sevilla gegen uns zu Hause 60 Minuten lang eingeigelt hat und dermaßen auf Zeit gespielt hat, dass meine Spieler hinterher fassungslos waren über diese Feigheit.« 38 »Schmutzige« Erfolge, Klopp mag sie einfach nicht. Nicht immer heiligt für ihn der Zweck alle Mittel.
Obwohl nach dem Ausgleichstreffer von Neven Subotic in der 49. Minute noch reichlich Zeit für den Siegtreffer war, hatten die Dortmunder in Sevilla ihre Linie verloren. Anstelle der sonst flüssigen Kombinationen wurden die Bälle hektisch nach vorne gedroschen – die junge Dortmunder Elf hatte sich durch Sevillas Spielweise aus der Ruhe bringen lassen. Die Geduld und den eigenen Spielstil zu bewahren, es wäre vermutlich das bessere Rezept gewesen. Insofern könnte der Abend von Sevilla nachträglich wichtiger Anschauungsunterricht für zukünftige Auftritte auf der europäischen Bühne gewesen sein.
So wenig wie er die reine Defensivtaktik des »Ballhaltens« schätzt, so wenig akzeptiert Klopp das gravierende
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