Jürgen Klopp: Echte Liebe
kommt aus dem Herzen, ist nicht aufgesetzt. Andere würden vielleicht sagen: »Ich will damit viel Geld verdienen, berühmt sein, die Nummer eins werden, will dies oder das.« Aber Klopp sagt: »Für mich heißt das, auch wenn das pathetisch klingt, den Ort, an dem ich bin, ein wenig besser zu machen.« So sagt er es im ZEIT -Interview. Und dieser Ansatz beschränkt sich nicht auf den sportlichen Bereich, sondern ist ein grundsätzlicher. Nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern überall dort, wo er ist, soll die Welt ein bisschen besser werden. Das ist seine Grundhaltung.
Denken Sie, dass es für dieses Selbstverständnis einen Auslöser gibt?
Ich vermute, dass er aus einem sehr stabilen Elternhaus kommt und glücklicherweise immer die Dinge tun konnte, die ihm am Herzen lagen. Daran will er auch andere teilhaben lassen. Wo es genau herkommt, das wäre vermessen zu beurteilen.
Klopp und die »aufgeklärte Patriarchie«
Zurück zur Führungspersönlichkeit Klopp. Wie lässt sich sein Führungsstil beschreiben?
Es gibt zwei wesentliche Führungsstile: Das eine ist der autoritäre Stil, den typischerweise der frühere FC Bayern-Trainer Louis van Gaal vertritt. Dann gibt es noch den partizipativen, den mitwirkenden Stil – und hier ist Jürgen Klinsmann sehr stark, wenn ich an seine Zeit als Bundestrainer denke. Beim damaligen Duo Jürgen Klinsmann und Joachim Löw bestand das Erfolgsrezept darin, dass Klinsmann die Führungspersönlichkeit verkörperte und Löw den Manager, der analysiert, umsetzt und die Arme hochkrempelt. Eine ideale Ergänzung. Klopp wiederum vereint etwas, das man als »aufgeklärte Patriarchie« bezeichnen kann.
»Aufgeklärte Patriarchie«?
Damit meine ich, dass Klopp auch hier über eine wertvolle Mischung aus beiden Richtungen verfügt: Wenn es um Grundwerte geht, ist er sehr autoritär. Er gibt eine klare Richtung vor. Klopp wird aber dann sehr partizipativ, wenn es um Abläufe und Einzelheiten geht. Er versteht sich also auf der einen Seite als Führungspersönlichkeit, lässt den Spielern aber andererseits auch einen individuellen Freiraum. Das führt dazu, dass er für konkrete Werte steht: Vertrauen, Verbindlichkeit und Verantwortung. Sie sind in seinen Aussagen sehr stark vertreten.
Viele Menschen werben um Vertrauen, nicht allen gelingt es. Wie schafft es Klopp, Vertrauen aufzubauen?
Eine wichtige Rolle spielen seine Rituale, die Vertrauen zu ihm als Persönlichkeit aufbauen. Klopp pflegt Rituale, die Menschen innerhalb einer Gruppe zusammenführen sollen – so die Auslosung im Trainingslager, welcher Spieler mit wem das Zimmer teilt. Daraus macht er ein richtiges Happening und schafft damit eine gemeinsame Identität. Darin ist Klopp sehr stark. Auch dieses ritualisierte Feiern bei der Meisterschaft zähle ich mit dazu. Wir erlebten, wie er auf Augenhöhe mitfeierte: Der Mann distanziert sich nicht, er steht mittendrin. Für die Zusammengehörigkeit ist es wichtig, dass solch ein Erfolg gemeinsam gefeiert wird.
Klopps Maxime: Leistung bringen!
Was bedeutet es, im Fußball eine »gemeinsame Identität« zu schaffen? Das klassische »Wir-Gefühl« zu formen, das im Fußball so gerne der guten, alten Zeit des »Elf Freunde müsst ihr sein« zugerechnet wird?
Eine gemeinsame Identität zu schaffen, ist kein Anachronismus. Klopp ist sehr identitätsstiftend. Das heißt: Dort, wo er hinkommt, ist er auch – voll und ganz. Es geht dabei nicht um ihn, sondern um die Identität des Ganzen: Er will ein Team formen, das gemeinsam und konsequent ein vorgegebenes Ziel verfolgt. Klopp war lange Jahre in Mainz, doch als er 2008 nach Dortmund ging, war er von jetzt auf gleich angekommen und hat sich gesagt: »Jetzt mache ich eben hier die Welt etwas besser.«
Welche Rolle spielen die Glaubenssätze, wenn ein Ziel verfolgt wird? Inwieweit beeinflussen sie das Verhalten?
Unsere Glaubenssätze steuern unser Verhalten ganz wesentlich. Glaubensätze entstehen aufgrund von gelernten Erfahrungen. Entweder aufgrund eigener Erfahrungen oder aufgrund der Muster, die wir vermittelt bekommen. Prägend sind Eltern, Autoritäten, Freunde, das soziale Umfeld. Was wir über uns und die Welt denken, steuert unser Verhalten. Unsere Persönlichkeit ist wesentlich geprägt durch unsere Gedankenwelt. Wenn ich also glaube, dass Leistung wichtig ist, werde ich auch Leistung einfordern. Wenn ich glaube, dass Spaß wichtig ist, werde ich Spaß einfordern.
Welche Glaubenssätze dominieren Ihrer Meinung nach
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