Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
gleichen Band auf dem Markt selbst Konkurrenz machen wollte. Volker Henf, ein Freund der Band, sang ein paar Titel: „Route 66“, „Oh Carol“ und „Sorrow“. Er war ein richtig harter Bursche, ein Freak aus der Hanauer Gegend, der in keine Band passte, eine schlechte Kinderstube hatte und keine Schlägerei ausließ, aber total musikalisch war und eine enorme Bühnenpräsenz besaß. Erziehungsheime kannte er genauso gut wie Bühnen. Jürgen selbst sang die Leadstimme bei „It’s not unusual“, „It’s my life“ und „We’ve got to get out of this place“. Elmar sang „I’m alive“ von den Hollies, obwohl er dem Song eigentlich nicht gewachsen war. Vermutlich, dachte Jürgen, wollte er damit Marek Lieberberg eins auswischen. Lieberberg, der Jahrzehnte später der Herr von Rock am Ring werden sollte, war Mitglied der „Rangers“, an Status den King Beats ebenbürtig, und nebenbei der Feind. Elmar und Marek Lieberberg konnten sich auf den Tod nicht ausstehen, machten sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit von der Bühne herunter fertig, wenn sich die beiden Bands bei der gleichen Veranstaltung begegneten. Die ganzen mehrstimmigen Schön-Gesänge à la Tremeloes oder Hollies, das war die Spezialität der „Rangers“. Die King Beats waren eigentlich etwas rauer. Aber Elmar war der Chef, und wenn der Chef beschloss, es wird jetzt einmal schön gesungen, dann wurde jetzt einmal schön gesungen.
Elmar war auch der Mann, der den King Beats die Auftritte besorgte. Professionelles Booking gab es nicht. Allenfalls so genannte Künstleragenturen, die Bands an Ami-Clubs vermitteln oder auch Monatsen-gagements beschaffen konnten. Die Künstleragenturen hatten neben den Beatbands viele andere Künstler im „Bauchladen“: Schauspieler, Sänger, Unterhalter, undefinierbares fahrendes Volk. Also hielt man sich an Vereine oder einzelne enthusiastische Veranstalter. Man bespielte Hessen. Der Radius der Auftritte maß etwa 100 Kilometer. Montag bis Freitag besuchte Jürgen die Berlitz-School (wenn er denn die Berlitz-School besuchte), am Wochenende wurde gespielt. Ein Paradies. Es gab genug zu spielen immer lieber länger als kurz, drei oder dreieinhalb Stunden waren an der Tagesordnung. Heute Eschborn, morgen Oberursel, übermorgen Köppern, dann Bad Homburg, Bad Soden, Königstein, dann die Ami-Clubs rund um Frankfurt. Hinfahren, spielen, zurück. Ein einziges Mal hatten die King Beats in ihrer Karriere als Live-Band eine Übernachtung: in Bingen. Richard nahm ein Mädel mit aufs Zimmer, sprang aufs Bett, das Bett krachte zusammen, das Mädel ging, die Band schlief den Rest der Nacht schräg bergab. Das musste also wohl Rock’n’Roll gewesen sein. Immerhin schräg, immerhin 1 Bett zerstört. Sie fühlten sich riesig. Der Fanclub trug ihnen bei vielen Auftritten die überschaubare Anlage Vox AC 30 und Fender Twin Reverb und ’n Vox- Bassverstärker, Topteile, Schlagzeug, paar Mikrophone, Gesangsboxen, Mixer und fertig.
Es ging um den Spaß und um die Musik. Weil Elmar der Chef war und weil es um die Musik ging, schmiss er schließlich Jürgen raus, so wie es Podehl empfohlen hatte. Jürgen verfiel in eine Art saloppe Katatonie. Und nahm es erst mal als Schicksal, Abteilung „Vorläufig nicht zu ändern.“
Bei einem Auftritt in Hanau hatte Jürgen Christel kennen gelernt. Sie war die erste, in die er richtig verliebt war. Ein Mädchen zum heiraten, lebensfroh, sportlich und natürlich an Musik interessiert. Sogar die Eltern der beiden kannten und mochten sich. Das immerhin war in Ordnung, auch wenn die King Beats ihn gerade gefeuert hatten. Am Rosenmontag 1966, den 22. Februar, waren Jürgen und Christel im VW Käfer auf einer kurvigen Bundesstrasse bei Hanau unter-wegs. Es regnete, die Sicht war schlecht. In einer Kurve kam ihnen ein Auto voll aufgeblendet entgegen. Die Situation kannte Jürgen nicht aus der Fahrstunde – er verlor die Kontrolle über das Auto. Als er wieder zu sich kam, lag er draußen, angelehnt mit dem Rücken ans Vorderrad. Immer wieder wurde er ohnmächtig. Er fühlte, dass etwas über ihn lief, er merkte, wie ein Auto anhielt, wie jemand ihn auf eine Wolldecke legte, Feuerwehr, Krankenwagen. Er wurde ohnmächtig, er wurde wach. Die Notaufnahme … Zwei Tage später schaute er in den Spiegel, das ganze Gesicht war verkrustet mit Blut, der Arm in einem riesigen Flügelgips. Nach ein paar Tagen stand ein Arzt an seinem Bett, maß ihm den Puls und sagte: „Jetzt müssen wir es Ihnen
Weitere Kostenlose Bücher