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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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wohl sagen: Ihre Freundin ist tot.“
    Die Band hatte ihn rausgeschmissen, Mist. Das fiel ihm jetzt auch noch ein. Die King Beats hatten inzwischen mit Klaus Kieswald am Schlagzeug eine zweite Single eingespielt: „Too Much Monkey Business“ auf hessisch: „Too Much Language Business“. Aber plötzlich standen Jürgens angeblich ehemalige Bandkollegen am Krankenbett. Zusammen mit einem Pressefotografen. Und Gitarren in der Hand. Es war eine absurde Situation. Tragikomisch nennt man so etwas wohl. „200 Fans am Bett des verunglückten Beatschlagzeugers“ würde die Schlagzeile in der Boulevardpresse am nächsten Tag brüllen. Die tote Freundin wurde in dem Artikel mit keinem Wort erwähnt, es klang alles sehr sehr harmlos. So also funktionierte die Boulevardpresse. Dazu das Bild, Jürgen im Bett liegend, den Arm in einer Extension mit einem Gewicht hintendran. In die linke Hand hatten die Jungs ihm ein paar Schlagzeugstöcke gedrückt und da standen sie nun mit ihren Gitarren. Die Werbung für die King Beats schlechthin. Jürgen machte bestmögliche Miene zum bösen Spiel, so gut es eben ging. Irgendwie war es ja auch eine Genugtuung, vermutlich inszeniert von dem, der ihn ein paar Tage zuvor rausgeschmissen hatte. Oh, wie sie plötzlich in den höchsten Tönen summten und brummten, wie toll sie ihn doch immer gefunden hätten, und er sollte doch jetzt wieder, und alles wäre.
    Am 22. April kam er aus dem Krankenhaus. Am Samstag darauf stand er schon wieder auf der Bühne. „We Can Work It Out“ sang er, den Arm noch im Gips, sein „Nachfolger“ Klaus Kieswald trommelte. Jürgen liefen die Tränen herunter. In diesem Moment nahm er noch einmal Abschied von seiner toten Freundin Christel und von dem Leben, das er bis vor ein paar Tagen vielleicht vorgehabt hatte. Er fühlte es wie eine plötzliche Erleuchtung, da war keine Zweideutigkeit mehr, kein Konflikt. „So, Junge, das isses. Es gibt nix anderes. Du kannst Pläne machen für dein ganzes Leben, es wird dir nicht gelingen. Irgendwann passiert was, dann ist alles am Arsch. Vergiss alles andere. Das hier ist es, das willst du.“ Musik machen, sonst nichts. Die einzige Sicherheit im Leben. Das, was man wollte und auf sich zukommen lassen musste, nicht das, was man plante und abwog. Eine neue Stufe war gezündet. Der Anlass war furchtbar, schlimmer hätte es nicht kommen können. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Bridges are burning. Das, was jetzt begann, war Liebe, das war Trost, Leben und Bestimmung. So fühlte er es und daran hat sich bis heute nichts geändert.
    Nicht etwa, dass er nun angefangen hätte zu üben. Diesbezüglich war er immer noch eine faule Sau und blieb es auch. Später würde er die „Rodgau Monotones“ produzieren, von denen die wunderschöne Textzeile stammt: „Was wollen denn die Fuddler mit den schweren Stücken? Wer übt, fällt seinen Kollegen in den Rücken!“ Er blieb konsequent bei Barhockern, Theken, Tischen, zu Hause wurde seine Mutter explosiv: „Her mer uff mit der Trummlerei …“ schrie sie zunehmend entfesselter. „Ei, was soll ich dann sonst mache …“ antwortete Jürgen stoisch. Eben ausgerechnet „Too Much Language Business“, die Nummer, auf der Jürgen nicht hatte spielen dürfen, war wohl immerhin das erste Mundart-Rock-Stück der deutschen Musikhistorie. Am 6. Juli 1966 erschien die Single, auf der B-Seite „Same Way Every Day“, da hieß der Schlagzeuger wieder Jürgen Zöller. Und weil die lustigen hessischen Mundaaardnümmersche so erfolgversprechend zu sein schienen, ließ Generaldialektbeatmarschall Podehl die King Beats am 22. September 1966 ins Studio einmarschieren. „Lisbeth“ und „Isch glaab die hole misch ab, haha“ – von 20.00 Uhr bis 00.30 dauerte es, dann waren die Ulknummern im Kasten. „Lis-beth“ war eine hessische Version des Troggs-Hits „Wild Thing“, mehr genölt als gesungen von Peter Walliser, dem Ur-Schlagzeuger. Inhaltlich ging es um die störrische Lisbeth, die nicht in die Gänge kommen wollte, als ihr Herr und Gebieter mit ihr „in de Wald“ zu gehen begehrte. Irgendwann sind sie dann offenbar doch dort angekommen, denn er ruft höchst erregt „Achdung: E Loch!“ Und bei dem Wort „Loch“ tat sich ein Abgrund an ausgereiftester Studiotechnik auf, verbunden mit Verdeutlichung eines Vorgangs von äußerster Brisanz durch ein akustisches Signal: Es hallte. Die Hallplatte klang, als habe sie mindestens die Größe der Wand eines Mehrfamilienhauses.

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