Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jugend ohne Gott (German Edition)

Jugend ohne Gott (German Edition)

Titel: Jugend ohne Gott (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ödön von Horvath
Vom Netzwerk:
an.
    »Nein«, sagt sie leise, »ich liebe ihn nicht.«
    Der Z schnellt empor.
    »Ich hab ihn auch nie geliebt«, sagt sie etwas lauter und senkt den Kopf.
    Der Z setzt sich langsam wieder und betrachtet seine rechte Hand.
    Er wollte sie beschützen, aber sie liebt ihn nicht.
    Er wollte sich für sie verurteilen lassen, aber sie liebte ihn nie.
    Es war nur so –
    An was denkt jetzt der Z?
    Denkt er an seine ehemalige Zukunft?
    An den Erfinder, den Postflieger?
    Es war alles nur so – Bald wird er Eva hassen.

»Nun«, fährt der Präsident fort, Eva zu verhören, »du hast also den N mit diesem Steine hier verfolgt?«
    »Ja.«
    »Und du wolltest ihn erschlagen?«
    »Aber ich tat es nicht!«
    »Sondern?«
    »Ich habs ja schon gesagt, es kam ein fremder Junge, der stieß mich zu Boden und lief mit dem Stein dem N nach.«
    »Wie sah denn dieser fremde Junge aus?«
    »Es ging alles so rasch, ich weiß es nicht –«
    »Ach, der große Unbekannte!« spöttelt der Staatsanwalt.
    »Würdest du ihn wiedererkennen?« läßt der Präsident nicht locker.
    »Vielleicht. Ich erinner mich nur, er hatte helle, runde Augen. Wie ein Fisch.«
    Das Wort versetzt mir einen Hieb.
    Ich springe auf und schreie: »Ein Fisch?!«
    »Was ist Ihnen?« fragt der Präsident und wundert sich.
    Alles staunt.
    Ja, was ist mir denn nur?
    Ich denke an einen illuminierten Totenkopf.
    Es kommen kalte Zeiten, höre ich Julius Caesar, das Zeitalter der Fische. Da wird die Seele des Menschen unbeweglich wie das Antlitz eines Fisches.
    Zwei helle, runde Augen sehen mich an. Ohne Schimmer, ohne Glanz.
    Es ist der T. Er steht an dem offenen Grabe.
    Er steht auch im Zeltlager und lächelt leise, überlegen spöttisch.
    Hat er es schon gewußt, daß ich das Kästchen erbrochen hab?
    Hat auch er das Tagebuch gekannt?
    Ist er dem Z nachgeschlichen und dem N?
    Er lächelt seltsam starr.
    Ich rühre mich nicht.
    Und wieder fragt der Präsident: »Was ist Ihnen?«
    Soll ich es sagen, daß ich an den T denke?
    Unsinn!
    Warum sollte denn der T den N erschlagen haben? Es fehlt doch jedes Motiv –
    Und ich sage: »Verzeihung, Herr Präsident, aber ich bin etwas nervös.«
    »Begreiflich!« grinst der Staatsanwalt.
    Ich verlasse den Saal.
    Ich weiß, sie werden den Z freisprechen und das Mädel verurteilen. Aber ich weiß auch, es wird sich alles ordnen.
    Morgen oder übermorgen wird die Untersuchung gegen mich eingeleitet werden.
    Wegen Irreführung der Behörde und Diebstahlsbegünstigung.
    Man wird mich vom Lehramt suspendieren.
    Ich verliere mein Brot.
    Aber es schmerzt mich nicht.
    Was werd ich fressen?
    Komisch, ich hab keine Sorgen.
    Die Bar fällt mir ein, in der ich Julius Caesar traf. Sie ist nicht teuer.
    Aber ich besaufe mich nicht.
    Ich geh heim und leg mich nieder.
    Ich hab keine Angst mehr vor meinem Zimmer. Wohnt er jetzt auch bei mir?

Richtig, im Morgenblatt steht es bereits!
    Der Z wurde nur wegen Irreführung der Behörden und Diebstahlsbegünstigung unter Zubilligung mildernder Umstände zu einer kleinen Freiheitsstrafe verurteilt, aber gegen das Mädchen wurde vom Staatsanwalt die Anklage wegen Verbrechens des meuchlerischen Mordes erhoben.
    Der neue Prozeß dürfte in drei Monaten stattfinden.
    Das verkommene Geschöpf hat zwar hartnäckig ihreUnschuld beteuert, schreibt der Gerichtssaalberichterstatter, aber es war wohl niemand zugegen, der ihrem Geschrei irgendwelchen Glauben geschenkt hat. Wer einmal lügt, lügt bekanntlich auch zweimal! Selbst der Angeklagte Z reichte ihr am Ende der Verhandlung nicht mehr die Hand, als sie sich von der Gefängnisbeamtin losriß, zu ihm hinstürzte und ihn um Verzeihung bat, daß sie ihn nie geliebt hätte!
    Aha, er haßt sie bereits!
    Jetzt ist sie ganz allein.
    Ob sie noch immer schreit?
    Schrei nicht, ich glaube dir –
    Warte nur, ich werde den Fisch fangen.
    Aber wie?
    Ich muß mit ihm sprechen, und zwar so bald wie möglich!
    Mit der Morgenpost erhielt ich bereits ein Schreiben von der Aufsichtsbehörde: ich darf das Gymnasium nicht mehr betreten, solange die Untersuchung gegen mich läuft.
    Ich weiß, ich werde es nie mehr betreten dürfen, denn man wird mich glatt verurteilen. Und zwar ohne Zubilligung mildernder Umstände.
    Aber das geht mich jetzt nichts an!
    Denn ich muß einen Fisch fangen, damit ich sie nicht mehr schreien höre.
    Meine Hausfrau bringt das Frühstück und benimmt sich scheu. Sie hat meine Zeugenaussage in der Zeitung gelesen, und der Wald rauscht. Die Mitarbeiter schreiben:

Weitere Kostenlose Bücher