Julia Ärzte zum Verlieben Band 37
Wahrheit gekannt hättest, hättest du dann die überregionale Presse informiert?“, wollte sie wissen.
Sicher erwartete sie, dass er verneinte. Doch das wäre gelogen gewesen. „Ehrlich gesagt, wahrscheinlich schon. Aber ich hätte es anders geregelt. Wir wären mehr im Hintergrund geblieben, ich hätte alles vorher mit dir besprochen und dich gefragt, ob ich deine Beratungsstelle erwähnen soll.“ Er seufzte. „Ich dachte, du stellst dein Licht unter den Scheffel, und es tut mir wirklich leid, dass ich ohne Rücksicht auf dich getan habe, was ich wollte.“
„Wie Michael“, sagte sie leise.
„Michael?“, wiederholte er ziemlich bestürzt. „Du kanntest den Kerl?“
Charlotte holte zitternd Luft. „Wir waren ein paar Mal miteinander ausgegangen. Ich fand ihn nett. Er war charmant, gut aussehend.“
Das Gleiche sagten die Leute auch über ihn. James begriff, warum sie ihm gegenüber anfangs so misstrauisch gewesen war.
„Eines Abends sind wir tanzen gegangen.“
Ausgerechnet das habe ich von ihr verlangt. Einen Tanz, vor großem Publikum. James genoss solche glanzvollen Feste und hatte angenommen, dass sie genauso viel Spaß daran hätte wie er. Was für ein Irrtum! Statt sie in eine glitzernde Märchenwelt zu entführen, hatte er mit einem Messer in der Wunde gestochert und Charlotte ihren furchtbaren Erinnerungen überlassen.
„Hinterher brachte er mich nach Hause. Ich dachte, er würde mich zum Abschied küssen und dann gehen, aber er schob mich in den Flur und stieß die Tür zu. Ich habe Nein gesagt, aber er …“ Schaudernd zog sie die Schultern zusammen. „Er war stärker als ich, ich konnte ihn nicht abwehren.“
James ging zu ihr und nahm sie behutsam in die Arme. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, begann er. „Außer, dass ich dem Mistkerl eine Tracht Prügel verabreichen möchte, weil er dir wehgetan hat. Und dass ich dich halten und beschützen möchte, damit dir niemand mehr etwas antun kann.“
„Ich muss nicht in Watte gepackt werden, ich möchte nur anständig behandelt werden.“
„Ich hoffe, du weißt, dass ich dich niemals …“ Keines der Worte, die ihm auf der Zunge lagen, schien richtig zu sein. Jedenfalls nicht, wenn er die Situation für Charlotte nicht noch unangenehmer machen wollte.
„Ja, natürlich.“ Ihre Stimme bebte. „Aber ich rede nicht darüber, weil ich nicht will, dass mich die Leute mitleidig ansehen. Oder hinter meinem Rücken tuscheln, ob ich ihn vielleicht angemacht habe.“
James lehnte sich gerade so weit zurück, dass er ihr in die Augen sehen konnte. „Niemand, der dich kennt, würde das vermuten … mich eingeschlossen. Und du brauchst nicht zu denken, dass jemand auf dich herabsehen könnte.“ Er atmete tief durch. „Es tut mir unglaublich leid, was du durchgemacht hast, aber glaub mir, ich bewundere dich dafür, wie du damit umgehst. Und das werden die Kolleginnen und Kollegen genauso sehen, bestimmt.“
„So stark war ich nicht immer“, gestand sie. „Ich fühlte mich so schmutzig, ekelhaft und abstoßend.“
„Du bist nicht abstoßend. Du bist tapfer und wunderschön“, antwortete er. „Bist du zur Polizei gegangen?“
„Ja, und ich habe darauf verzichtet, anonym zu bleiben. Deshalb stand es in der Zeitung.“
Das hatte sie wirklich getan? Obwohl sie sich denken konnte, dass irgendwelche Reporter eine reißerische Story daraus machen würden? „Habe ich tapfer gesagt? Das nehme ich zurück. Übermenschlich mutig passt eher.“
„Ich wollte ihn davon abhalten, anderen Frauen das Gleiche anzutun. Und die einzige Möglichkeit war …“ Sie fröstelte. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich geschämt habe.“
„Quäl dich nicht.“ James zog sie vorsichtig dichter an sich. „Du musst mir nicht noch mehr erzählen.“
„Doch. Du sollst alles wissen, sonst kann es für uns nicht weitergehen. Und ich möchte es gern, James. Ich muss diese Sache ein für alle Mal hinter mich bringen, damit ich wieder richtig leben kann.“
Mit ihm? James hoffte es sehr.
„Es hat eine Weile gedauert, bis ich die Polizei gerufen habe. Ich zitterte so sehr, dass ich kaum die Nummer wählen konnte. Sie sind sofort gekommen.“ Ein Schauder durchlief sie. „Zum Glück haben sie mir geglaubt. Es ist von Vorteil, wenn man helle Haut hat, man sieht die blauen Flecken sofort.“
„Dieser Bastard“, stieß James hervor und ballte unwillkürlich die Fäuste. Wie gern hätte er dem Kerl jede einzelne Schramme, jeden
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