Julia Ärzte zum Verlieben Band 45
teilte. Das genügte bereits, damit sie sich selbst weniger alleine fühlte.
„Meine Eltern haben mir früher alles gekauft, was ich wollte. Sie sind sehr wohlhabend“, bekannte sie leise. „Doch sie waren immer so sehr mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit beschäftigt, dass sie meinen Bruder und mich darüber vergaßen.“
„Geld kann großes Glück bedeuten, aber nur, wenn es mit Bedacht ausgegeben wird. Ist Ihr Bruder älter als Sie?“
Beim Gedanken an ihren Bruder Tristan musste Emmy lächeln. „Ja. Er war ein ziemlich wilder Teenager. Vor zehn Jahren hatte er dann einen schweren Autounfall. Es dauerte fast ein Jahr, bis er wieder ganz gesund war. Das hat ihn verändert.“
„Ist er ein glücklicher Mensch?“
Emmy seufzte. „Das behauptet er zumindest, aber …“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Ich glaube schon. Er ist Geschäftsführer eines unserer Familienunternehmen. Es ist, als hätte ihm der Unfall dabei geholfen, seine Bestimmung zu finden, so wie mir das Medizinstudium dabei geholfen hat.“ Emmy lachte. „Als meinen Eltern klar wurde, dass ich es damit ernst meinte, haben sie eine große Summe an das Krankenhaus gespendet, in dem ich meine praktische Ausbildung absolvierte. Es gibt sogar ein Gebäude, das nach meiner Familie benannt ist – der Jofille-Trakt. Trotzdem bestand ich immer darauf, dass meine Professoren mich wie jede andere Studentin bewerten.“
„Und, haben sie sich daran gehalten?“
Emmy zuckte die Achseln. „Das weiß ich nicht wirklich. Ich schloss die meisten Fächer mit Bestnoten ab. Während meiner Zeit als Assistenzärztin wurde ich immer fair behandelt. Und danach konnte ich mir die Jobs mehr oder weniger aussuchen.“
„Trotzdem fragen Sie sich immer noch, ob Sie eine gute Ärztin sind?“
„Ja. Nach all den Jahren frage ich mich genau das. War man im Krankenhaus nett zu mir, damit meine Eltern weiterhin so großzügig spenden? Habe ich meine guten Noten verdient, oder bekam ich sie nur, weil ich eine Jofille bin?“
„Ist die Antwort auf diese Fragen denn wichtig?“
Emmy überlegte angestrengt. „Na ja, es bereitet mir Freude, anderen Menschen zu helfen. Außerdem wurde mir schon früh beigebracht, was gute Öffentlichkeitsarbeit bewirken kann. Als man mir dann den Job beim Fernsehen anbot, bot sich mir die Gelegenheit, beide Neigungen zu verbinden.“
„Und deshalb kamen Sie hierher.“
„Ja. Ich habe mit meinem Team schon einige Reportagen über die Ärzte im australischen Outback gedreht, deren Arbeit leider viel zu wenig Beachtung findet.“
Sanft berührte Meeree Emmys Hand. „Zweifel verlieren ihre Macht, wenn man weiß, dass man das Richtige tut.“
Emmy ließ den Tag Revue passieren. Beim Auftauchen des verwundeten Hunklu im Dorf hatte Dart deutlich gemacht, dass er auf ihre Hilfe verzichten konnte. Das hatte ihr wehgetan, aber immerhin hatte sie Hunklu nach dem Eingriff beistehen können. Es machte nichts, dass sie seine Sprache nicht verstand, denn ihr Mitgefühl hatte für sie gesprochen.
Später, bei der Nachmittagsstunde, hatte sie sich wieder fehl am Platz gefühlt, bis Dart sie zu sich gerufen hatte. Es war ein schönes Gefühl gewesen, helfen zu können.
Vielleicht würde der Aufenthalt in Tarparnii ihr dabei helfen, einige Antworten auf ihre Fragen zu finden. Wenn sie nur ein Stück auf dem Weg zu sich selbst vorankäme, hätten sich alle Strapazen gelohnt. Solange sie denken konnte, war die Einsamkeit ein Teil ihrer Persönlichkeit gewesen, seit dem Tag an dem man sie entfü… Nein, daran wollte sie nicht denken. Nicht jetzt.
„Dart!“ Einige der Kinder liefen auf den Arzt zu. „Die Puppen“, riefen sie mit leuchtenden Augen. „Die Puppen, bitte!“
Emmy wollte Meeree fragen, was es damit auf sich hatte, aber diese hatte sich so leise wieder entfernt, wie sie gekommen war. Gerade verließ sie eine der Hütten und hatte etwas bei sich, das wie ein großes weißes Bettlaken aussah. Jalak und die anderen Männer waren dabei, lange Stöcke zu sammeln, und im Nu war eine improvisierte Leinwand aufgebaut. Inzwischen hatte sich das ganze Dorf versammelt, und auf den Gesichtern lag freudige Erwartung. Emmy stand wie angewurzelt, als Dart hinter das aufgespannte Laken schlüpfte und sich sein Umriss vor dem Feuerschein abzeichnete.
Staunend sah sie zu, wie er mit seinen Händen den Schattenriss eines Adlers formte, der sich am unteren Rand der weißen Fläche niederließ. Mit dem Flügelschlag des Adlers
Weitere Kostenlose Bücher