Julia Ärzte zum Verlieben Band 49
unwillkürlich der Atem. Hatte sie es sich nur eingebildet, oder hatte er seine Hände tatsächlich einen Moment lang auf ihren Schultern ruhen lassen?
Andrew trug ihren Koffer zum Auto. „Sie sehen übrigens wirklich ganz bezaubernd aus“, sagte er, während er ihr beim Einsteigen behilflich war.
Libbys Herz tat einen aufgeregten Schlag. „Danke. Das Kleid ist nur etwas eng geworden. Ich habe es seit Weihnachten nicht mehr getragen.“
„Es ist perfekt für diesen Anlass. Sie wirken richtig überzeugend.“
Überzeugend, natürlich. Das war das Wichtigste bei dieser ganzen Farce. Andrew hatte sie aus einem bestimmten Grund eingeladen, das sollte sie besser nicht vergessen.
Libby hatte keine Ahnung, wohin sie fuhren. Sie hatte auch gar keine Zeit mehr gehabt, um sich im Internet über den Landsitz der Ashendens zu informieren. Als sie sich jetzt in dem bequemen Ledersitz zurücklehnte, merkte sie erst richtig, wie kaputt sie war.
„Müde?“, erkundigte Andrew sich.
„Ziemlich. Es war ein anstrengender Tag. Oder besser gesagt, eine anstrengende Woche. Zum Glück ist das Dinner eine formelle Angelegenheit und keine Stehparty, denn ich denke nicht, dass ich nach einem Tag wie heute noch lange auf diesen hohen Absätzen stehen könnte.“
Er warf einen Blick auf ihre eleganten Pumps. „Sie sehen aber sehr chic aus.“
„Oh – danke. Aber gut aussehen und sich gut fühlen sind zwei verschiedene Dinge“, erklärte sie wehmütig.
Um seine Mundwinkel zuckte es. „Ich kann es mir vorstellen. Zum Glück musste ich nur einmal im Leben Stöckelschuhe anziehen. Es war eine einzige Tortur.“
„Was, Sie sind mit Stöckelschuhen herumgelaufen?“ Libby lachte, als sie sich das Bild vorstellte.
„Und mit einem Kleid“, ergänzte er und grinste. „Es ist unglaublich, wozu mein Bruder mich überreden kann, wenn es um Spendenaktionen zur Förderung medizinischer Forschungen geht.“
Libbys Interesses war geweckt. „Eine bestimmte Krankheit?“
„Meningokokken-Erkrankungen. Will war als Kind davon betroffen und hätte Arme und Beine verlieren können. Ihm ist bewusst geworden, welches Glück er hatte, nun will er die Erforschung und Behandlung dieser Krankheit unterstützen. Unsere ganze Familie hält er dazu an. Deshalb haben sie das Haus und die Gärten auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im Sommer finden im Park allerlei Veranstaltungen statt, deren Erlös zum größten Teil der Stiftung zugutekommt.“
„Das klingt aber nach einer Menge Arbeit!“
„Das ist es auch. Will ist der Verwalter des Besitzes und arrangiert auch die Veranstaltungen. Mum kümmert sich um die Gärten und das Haus. Es ist ein Vollzeit-Job, und eines Tages wird es meine Aufgabe sein.“
Libby glaubte, eine resignierte Note aus seiner Stimme herauszuhören. „Sie klingen nicht gerade sehr begeistert.“
„Das bin ich auch nicht. Schließlich habe ich meinen Beruf. Aber als ältester Sohn habe ich auch gewisse Verpflichtungen. Zum Glück hat das noch Zeit. Dad ist gerade dreiundsechzig und erfreut sich bester Gesundheit. Bestimmt werden Mum und er noch etliche Jahre miteinander teilen können.“
„Ich nehme an, Ihr Bruder wird an diesem Wochenende auch kommen?“
„Will? Natürlich. Er und seine Frau Sally. Im Moment ist sie noch die Event-Managerin, aber im Sommer beginnt ihr Mutterschutz.“
„Weiß Ihre Familie, dass Sie mich mitbringen?“
Er wandte ihr kurz das Gesicht zu, und im Halbdunkel konnte sie sehen, wie er eine Augenbraue hob.
„Sie meinen, ob sie wissen, dass ich eine weibliche Begleiterin mitbringe? Ja. Aber nicht, aus welchem Grund.“
Libby musste lächeln. „Werden sie es nicht etwas seltsam finden?“
„Dass ich auch ein Privatleben habe? Nein. Warum sollten sie?“
„Weil die wenigsten Leute eine vollkommen fremde Person zu einem solchen Familienfest mitbringen würden.“
„Wenn sie meine Mutter hätten, schon“, gab er trocken zurück, und Libby musste lachen.
„So schlimm kann sie nicht sein.“ Sie lehnte den Kopf zurück und schaute ihn an. „Erzählen Sie mir ein wenig von ihr.“
Mit viel Liebe begann er von seiner Kindheit zu erzählen. Libby beneidete ihn um seine Familie. Ihr Vater war tot, und ihre Mutter lebte mit ihrem zweiten Mann in Irland. Zu ihrer verheirateten älteren Schwester hatte sie kaum Kontakt. Nicht, weil sie sich nicht verstanden. Doch es lagen sieben Jahre Altersunterschied und mehrere Hundert Meilen zwischen ihnen. Zuletzt hatten sie sich
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