Julia Ärzte zum Verlieben Band 50
Schweigen im Cockpit zu brechen. Über den Einsatz zu sprechen, war sicher angenehmer, als stundenlang stumm dazusitzen und gegen den Sog der Vergangenheit anzukämpfen.
„Was weißt du über Tokolamu?“, fragte Becca unvermittelt.
Jet zog die Brauen hoch. „Alles, was ich wissen muss“, gab er gelassen zurück. „Die Insel besteht aus dem Gipfel eines Vulkans, der jederzeit ausbrechen könnte. Und es sind Leute dort, die evakuiert werden müssen.“
Seine tiefe Stimme drang ihr direkt in die Ohren. Auch diese Mischung aus Gelassenheit und absoluter Selbstsicherheit war typisch für ihn. Viele Menschen würden seinen Tonfall wohl eher unausstehlich als attraktiv finden. Becca gehörte dazu.
„Einige von ihnen sind verletzt“, fuhr Jet fort. „Mein Job ist es, sie medizinisch zu versorgen, und dein Job, mich hinzubringen.“
Was für eine Arroganz.
„Tokolamu ist mehr als nur der Gipfel eines Vulkans“, erklärte Becca. „Die Insel ist ein bedeutendes Naturreservat, das etwa siebzig Vogelarten beherbergt. Außerdem findet dort ein erfolgreiches Zuchtprogramm für den gefährdeten Kiwi statt.“
Jets undefinierbares Brummen zeigte wenig Interesse, aber für Becca war diese Form des Gesprächs genau das Richtige. Sachlich und unverfänglich.
„Es gibt da auch Weka-Rallen, und sogar Kakapos. Wusstest du, dass das die schwersten Papageien der Welt sind?“
„Nö.“
„Sie sind auch die einzigen flugunfähigen und nachtaktiven Papageien.“
„Dann passen sie ja gut zu den Kiwis, oder?“
Becca gab einen geringschätzigen Laut von sich.
„Tja, dann nehme ich mal an, die übrigen achtundsechzig Vogelarten halten sie für minderwertig“, meinte Jet. „Wann hast du denn beschlossen, dass du fliegen möchtest, Becca?“
„Schon vor Jahren. Von der Krankenpflege bin ich zum Sanitätsdienst gegangen. Eines Abends wurde ein zusätzlicher Rettungssanitäter im Hubschrauber gebraucht, und ich wurde mitgeschickt. Ich war erst zehn Minuten in der Luft, da wusste ich schon, dass ich auf den Pilotensitz wollte.“
Hilfe. Das war genau das, was sie eigentlich hatte vermeiden wollen. Nämlich über die Vergangenheit reden und viel zu viel von sich selbst preisgeben. Damit lief sie Gefahr, wieder in den Abgrund hinabgezogen zu werden.
Jets leises Lachen war so unerwartet, dass Becca zu ihm hinschaute. In diesem Lachen lag nicht nur Belustigung, sondern auch Verständnis. Es zeigte, dass es ihm genauso ergangen wäre.
Da fiel ihr wieder ein, wie er überhaupt zu seinem Spitznamen gekommen war. Nicht wegen seiner jettschwarzen Haare, sondern wegen seiner Leidenschaft für schnelle Fahrzeuge. Motorräder, Autos, Luftfahrzeuge. Selbst seine Frauen mussten geschmeidig sein und für schnellen Sex zur Verfügung stehen.
Vielleicht kam der Nervenkitzel, den Becca beim Fliegen spürte, dem Gefühl am nächsten, das sie früher immer in Jets Nähe erlebt hatte. Natürlich hatte sie niemals daran gedacht, als sie sich ins Fliegen verliebt hatte und ihren Traum, Pilotin zu werden, wahr machte. Warum auch? Sie hatte Jet nie mehr gesehen und nie wieder gespürt, wie es war, ihm so nahe zu sein.
Seufzend gestand sie sich ein, dass sie nicht dagegen ankämpfen konnte. Es war einfach unmöglich, den ganzen Flug mit ihm zusammen absolut unpersönlich zu bleiben. Ihr blieb keine andere Wahl, als sich ihren Emotionen zu stellen. Was immer dies auch für negative Auswirkungen haben mochte, sie musste damit fertigwerden. Ich schaffe das, dachte sie. Ich habe es ja schon mal geschafft.
„Und wann hast du deinen Pilotenschein gemacht, Jet?“, fragte sie.
„Gar nicht.“
„Ich dachte, du könntest mit einer BK umgehen.“
„Kann ich auch. Ich hab’s nebenbei gelernt. Außerdem kenne ich einige Pilotenkumpels bei der Luftwaffe, die es mit den Vorschriften nicht so genau nehmen. Und ich lerne schnell.“
In der Tat. Von allen „Bad Boys“ war Jet zweifellos der Intelligenteste gewesen. Deshalb hatte er auch das Stipendium für eine private Eliteschule bekommen.
„Die formelle Prüfung lag ein bisschen außerhalb meiner finanziellen Möglichkeiten“, setzte er trocken hinzu.
Ja, nicht nur der Intelligenteste. Obwohl alle Jungen aus wenig erfreulichen Gründen auf das Internat geschickt wurden, hatte Jet in Bezug auf seine Herkunft den größten Minderwertigkeitskomplex. Die anderen, auch Matt, waren dort gewesen, weil ihre Eltern es sich leisten konnten, die Verantwortung für ihre Kinder auf andere
Weitere Kostenlose Bücher