Julia Ärzte zum Verlieben Band 50
ihrem Instrumentenbrett. Flughöhe, Antrieb, Treibstoff, Geschwindigkeit. Die Drehzahl der Haupt- und Heckrotoren. Eigentlich war eine solche Kontrolle im Augenblick gar nicht notwendig, aber sie musste sich unbedingt auf irgendetwas anderes konzentrieren.
Solange ihr Passagier nur ruhig neben ihr gesessen hatte, war alles gut gelaufen. Sicher, sie war sich seiner Nähe sehr bewusst gewesen. Allein wegen seiner Größe und der ungeheuren Männlichkeit, die er ausstrahlte. Aber damit konnte sie umgehen. In diesem besonderen Fall war es Becca nur recht, einen schweigenden, mürrischen Begleiter zu haben.
Doch dann hatte er versucht, sich an den Steuerelementen ihrer Maschine zu schaffen zu machen. Er hatte beinahe gelächelt und sie auch noch an eine etwas peinliche Situation aus der Vergangenheit erinnert. Ein paar Sekunden lang hatte sie sich fast wieder wie eine Achtjährige gefühlt, was ihr überhaupt nicht gefiel. Vielleicht weil sie nicht wollte, dass er sie noch immer als Matts kleine Schwester betrachtete.
Plötzlich hatte sie ein enges Gefühl in der Brust, das ihr den Atem abschnürte. Jetzt war sie niemandes kleine Schwester mehr. Und das war Jets Schuld.
Becca wollte wirklich nicht darüber nachdenken, wie sehr sie ihren großen Bruder immer noch vermisste. Es wäre schon schlimm genug gewesen, Jet von Ferne zu sehen. Aber ihm so nahe zu sein, war beinahe unerträglich. Dadurch wurde eine alte Wunde aufgerissen, die niemals ganz verheilt gewesen war. Unter dieser Narbe lagen Dinge verborgen, die unter allen Umständen geschützt werden mussten.
Erinnerungen.
Gefühle.
Hoffnungen und Träume.
Ihr Herz.
Vielleicht hatte Jet recht, wenn er sich darüber lustig machte, dass sie das Kommando hatte und versuchte, einen harten Eindruck zu machen.
Vielleicht war das alles bloß eine Täuschung.
Die kurze Turbulenz empfand Becca als Erleichterung. Sie spürte jede kleine Schwingung des Hubschraubers und hörte genau die Veränderungen im Maschinengeräusch. Sie konzentrierte sich wieder aufs Fliegen, und allmählich kehrte auch die Freude daran zurück. Sie fühlte sich mit ihrem Helikopter so verbunden, als wäre sie ein Teil davon. Das Mondlicht spiegelte sich in den weißen Schaumkronen der Wellen, während sie durch die Dunkelheit flogen. Die Turbulenz brachte einen zusätzlichen Adrenalinstoß, und als die Thermik wieder ruhiger wurde, hatte auch Becca ihr inneres Gleichgewicht zurückgewonnen.
Über Funk meldete sie sich bei der Flugsicherung und in der Zentrale bei Richard.
„Irgendwelche Neuigkeiten über den Zustand der Patienten?“, erkundigte sie sich.
„Nein, kein weiterer Kontakt“, antwortete er. „Die Verbindung war sowieso schlecht, und jetzt scheint sie ganz abgebrochen zu sein.“
„Verstanden. Was sagen die Meteorologen?“
„Es werden Nachbeben verzeichnet, aber nichts Größeres.“
„Roger. Sobald wir in Zielnähe sind, melde ich mich wieder.“
Becca schaltete den Kanal zum Festland ab, ließ jedoch den internen Funkkanal offen, für den Fall, dass sie mit Jet sprechen wollte. Aber eigentlich hatte sie keine Lust dazu.
Außer diesem Einsatz hatten sie nichts gemeinsam. Wäre sie mit jemand anderem geflogen, hätte sie denjenigen garantiert bis ins Kleinste darüber ausgefragt, wie es war, Mitglied einer Elite-Einheit der Luftwaffe zu sein. Welche Art von Ausbildung man dort absolvieren musste und wo der Betreffende schon überall gewesen war. Begierig hätte Becca jede Geschichte aufgesogen und die Erzählungen über gefährliche Situationen genossen.
Jet danach zu fragen, bedeutete jedoch, dass er ihr von seinem Leben in den vergangenen zehn Jahren berichten würde. Vermutlich würde sie auch etwas von Rick und Max hören, und diese Verbindung zur Vergangenheit wollte sie möglichst abblocken.
Sie wollte nichts von den „Bad Boys“ hören, die sie so angehimmelt hatte. Becca war sogar nur deshalb Krankenschwester geworden, um in ihrer Nähe zu sein. Alle vier waren etwas Besonderes gewesen, aber Matt und Jet stachen natürlich hervor. Sie waren so unterschiedlich und besaßen dennoch beide dieselbe Macht über sie. Sie bildeten das Zentrum ihrer Welt, vertrauenswürdig und unbesiegbar.
Heute wusste Becca, dass dies nur eine Illusion gewesen war.
Sie musste sich auf die Gegenwart konzentrieren. Sie würde Jet auf der Insel absetzen, zurückfliegen und ihn danach voraussichtlich nie wiedersehen.
Aber vielleicht war es doch keine so üble Idee, das lange
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