Julia Ärzte zum Verlieben Band 50
abzuschieben.
Erst nach Jahren hatte Becca erfahren, dass Jet in verschiedenen Pflegefamilien aufgewachsen war und sich als Fall für die Fürsorge betrachtete. Allerdings hatte sie nur Andeutungen gehört. Es wurde nie darüber gesprochen, genauso wenig wie über die großen Unterschiede im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse der Jungen.
Doch Jet hatte längst bewiesen, dass er sehr gut aus eigener Kraft zurechtkam.
„Ein Medizinstudium ist nicht billig“, entgegnete Becca. „Das hast du ja auch ohne Probleme hingekriegt.“
„Wenn man davon absieht, dass ich die letzten Jahre mein Darlehen abgezahlt habe.“ Sein Miene war finster, aber dann brummte er achselzuckend: „Vielleicht mache ich den Schein demnächst mal. Ich will schließlich nicht für ein Haus sparen oder so.“
„Du bist wohl eher fürs Jetzet, oder?“
Kaum hatte Becca das ausgesprochen, bereute sie es auch schon. Eigentlich sollte es nur ein Scherz sein, aber sie spürte, wie schal es klang. „Ich weiß, was du mit nebenbei lernen meinst“, sagte sie daher rasch. „Ich denke, wenn’s drauf ankommt, könnte ich auch einen IV-Zugang legen.“
„Das hoffe ich doch. Hast du nicht erzählt, dass du Sanitäterin warst?“
„Ich bin mit der Ausbildung damals nicht sehr weit gekommen“, verteidigte sie sich. Musste er ihr unbedingt das Gefühl geben, unzulänglich zu sein? „Ich arbeite mit vielen Intensiv-Sanitätern zusammen, die hervorragende Arbeit leisten“, erklärte sie. „Mein Job ist es, sie an Ort und Stelle zu bringen.“
Wieder trat Schweigen ein, und nur das Motorengeräusch füllte die Stille. Nach einer Weile fing das Funkgerät an zu knistern. Jemand versuchte, Kontakt mit ihnen aufzunehmen, aber es herrschte schlechter Empfang. Becca testete unterschiedliche Frequenzen.
„Flug null drei drei. Könnt ihr mich hören? Over.“
Beim dritten Versuch kam Richards Stimme durch, wenn auch mit Unterbrechungen.
„… zurück zur Basis …“
„Bitte wiederholen“, antwortete Becca. „Nachricht unvollständig.“
„… seismische Aktivitäten …“
War etwa der Vulkan ausgebrochen? Nein. Becca blickte vom Funkgerät auf, um in die nächtliche Dunkelheit vor ihnen zu schauen. Inzwischen waren sie ihrem Ziel nahe genug, um das Glühen eines Vulkanausbruchs am Nachthimmel erkennen zu können. Eine feine helle Linie erschien am Horizont. Die Dämmerung war offenbar nicht mehr fern. Gut. Dadurch würde die Landung auf der Insel um einiges sicherer werden.
„… Gefahr von Windscherung bei einem Ausbruch“, kam Richards letzter Satz.
Der Vulkan war also noch nicht ausgebrochen, umso besser.
„… Asche …“ Das Wort wirkte wie eine Warnung.
„Nachricht unvollständig“, wiederholte Becca.
„… Pager …“ Das war ein Befehl. „… Handy …“
„Roger. Over and out.“
Sie flogen weiter. Eine Minute, dann noch eine. Becca zögerte, die Anweisung zu befolgen. Obwohl der Funkkontakt nur bruchstückhaft gewesen war, konnte sie davon ausgehen, dass der Einsatz abgebrochen werden sollte. Dabei waren sie fast am Ziel, und es gab keinen offensichtlichen Grund zur Beunruhigung. Verdammt.
„Willst du nicht mal auf deinen Pager gucken?“, fragte Jet. „Und aufs Handy?“
„Ja.“
Wieder verging eine Minute. Der Himmel wurde tatsächlich heller. Becca spähte angestrengt geradeaus, ob Tokolamu womöglich schon in Sichtweite war.
„Irgendwann demnächst?“, meinte Jet.
Mit einem Seufzer nahm sie den Pager von ihrem Gürtel und reichte ihm das Gerät. Jet aktivierte es und begann, die Texte auf dem Bildschirm zu lesen.
„Das scheinen alte Nachrichten zu sein. Wann warst du in Cathedral Cove?“, wollte er wissen.
„Gestern, gegen elf Uhr vormittags. Idiotische Teenager, die von den Klippen in die hohen Wellen gesprungen sind. Ein Junge hat sich verschätzt und ist auf den Felsen aufgeschlagen. Wir mussten ihn mit der Seilwinde holen.“
„Und südlich der Bombay Hills?“
„Das war der Einsatz vor Cathedral Cove. Eine Massenkarambolage auf der Autobahn.“
„Dann ist hier nichts Neues.“
„Wundert mich nicht. Die Funkreichweite ist normalerweise besser als die für den Pager“, erwiderte Becca.
„Dann gib mir dein Handy.“
Es widerstrebte ihr, Jet ihre SMS-Nachrichten lesen zu lassen, aber entschlossen schüttelte sie das unangenehme Gefühl ab. Die auf ihrem Handy gespeicherten SMS waren schließlich nicht allzu persönlich. Keine Nachrichten von einem Freund oder etwas
Weitere Kostenlose Bücher