Julia Aerzte zum Verlieben Band 60
kritische Situation, die sie hier miteinander erlebt hatten. Finn verständigte ihren Mann, als Ava eine Fehlgeburt hatte, und Ava war für ihn da, nachdem seine Haushälterin ihn bewusstlos auf dem Fußboden seiner Wohnung gefunden hatte.
Nicht dass sie jemals darüber gesprochen hätten. Für eine Therapeutin war Ava sehr zurückhaltend. Meistens jedenfalls. Dennoch hatte sie bei ein paar Gelegenheiten Tacheles mit ihm geredet.
Das gefiel ihm an ihr.
Noch besser war, dass sie beide jene schwarzen Zeiten überwunden hatten. Finn hatte sich von seiner Operation vollständig erholt, und Ava und James waren wieder ein Paar, glücklich und seit einigen Monaten stolze Eltern eines Sohnes.
„Ich hatte schon gehört, dass du wieder da bist“, fuhr sie fort. „Es freut mich, dass du wieder ganz gesund bist. Obwohl …“ Sie beäugte ihn kritisch. „… du im Moment nicht gerade blendend aussiehst.“
Fast hätte er laut aufgestöhnt. Mussten ihm alle Frauen heute ins Gesicht sagen, dass er schrecklich aussah? „Was machst du hier? Wohnst du nicht in einem netten Häuschen mit weißem Gartenzaun?“
„Nur ein Besuch im alten Revier.“
Finn wandte sich ab und sah aus dem Fenster. Ava wusste, dass sie entlassen war. Er erwartete, dass sie weiterging und ihn in Ruhe ließ. Aber es fiel ihr schwer. Der Topchirurg strahlte eine Einsamkeit aus, die ihr zu Herzen ging.
Während sie noch zögerte, drehte er sich zu ihr um. „Du bist doch Therapeutin?“
Ava lachte. „Finn, ich bin Sexualtherapeutin.“
„Aber du hast einen Abschluss in Psychologie, oder?“
Sie nickte. „Möchtest du reden?“
Das wollte er genauso wenig, wie er Vater werden wollte … Aber Ava Carmichael hatte nie um den heißen Brei herumgeredet. Und im Moment konnte er einen erhellenden Einblick in die weibliche Psyche sehr gut gebrauchen.
„Evie ist schwanger. Ich habe vorgeschlagen, dass wir heiraten. Sie will nicht. Ich muss sie dazu bringen, dass sie Ja sagt.“
Ava blinzelte verwirrt. Das waren ja Neuigkeiten!
„Okay …“ Sie ging zu ihm, lehnte sich gegen die Fensterbank. „Du sagtest ‚vorgeschlagen‘. Wie genau?“
„Ich habe gesagt, wir sollten heiraten.“
„Lass mich raten … du bist nicht vor ihr auf die Knie gesunken und hast ihr einen herzbewegenden Antrag gemacht? Sondern es so ausgedrückt, als wäre es ganz praktisch?“ Finn wich ihrem prüfenden Blick aus. „Stimmt’s?“, fragte sie mit Nachdruck.
Mit grimmiger Miene wandte er sich ihr wieder zu. „Es war … eher spontan. Wenn wir heiraten, dann nicht im Wolkenkuckucksheim, sondern weil es tatsächlich praktisch ist. Wir geben unserem Kind eine richtige Familie mit Mutter und Vater unter einem Dach. Evie ist nicht der Typ, der romantisches Trallala braucht.“
„Ach, und woher weißt du das?“
Wieder wich er ihrem Blick aus. „Sie liebt mich, Ava, das weiß ich. Warum Spielchen spielen? Mein Vorschlag ist gut. Ich bekomme, was ich will, und sie, was sie will.“
„Was? Einen Mann, der sie nicht liebt?“
Ihre sanfte Frage weckte in ihm das Bedürfnis, mit der Faust gegen das Fenster zu schlagen. „Hör zu, Ava … es ist kompliziert. So, wie ich aufgewachsen bin …“ Ausgeschlossen, er konnte nicht mit ihr darüber reden, und wenn sie fünf Doktortitel in Psychologie hätte. „Das will ich für mein Kind nicht!“
„Erzähl es ihr, Finn. Nicht mir.“
„Das kann ich nicht.“
Ava zog es das Herz zusammen, als sie die Trostlosigkeit in seinen Augen sah. „Erinnerst du dich noch an das, was ich vor einiger Zeit gesagt habe? Dass es Folgen haben wird, wenn du Evie immer wieder von dir stößt? Dass eines Tages etwas geschehen wird und du unverhofft aus ihrem Leben ausgeschlossen bist? Dann, wenn du es dir am allerwenigsten wünschst?“
Ja, genau das hatte sie ihm prophezeit. „Ist das dein Ernst?“, knurrte er. „Du kommst mir mit einem ‚Hab ich’s dir nicht gesagt?‘ Wo hast du dein Examen gefunden, in einer Cornflakes-Packung?“
Ava lächelte. „Schoko-Pops, wenn du’s genau wissen willst.“
„Toll.“ Er sah wieder aus dem Fenster. „Und was mache ich mit ihr?“
„Vielleicht wird es Zeit, dass du dich endlich öffnest. Ihr zeigst, dass du ihr vertraust, und von dir erzählst.“
Finn lehnte die Stirn an das kühle Glas. Genauso gut hätte sie ihm vorschlagen können, sich splitterfasernackt an den Empfang der Chirurgie zu stellen. „Was? Keine Pille?“
„Tut mir leid, nein.“
„Du bist eine lausige
Weitere Kostenlose Bücher