Julia Aerzte zum Verlieben Band 60
das sie so sehr liebte. Eine innere Stimme drängte gefühlvoll: Tu es. Sag Ja. Nimm, was er dir anbietet. Mit der Zeit, mit viel Geduld und etwas Glück wirst du ihn dazu bringen, dich zu lieben.
Oh, es war verlockend, so verlockend.
Aber sie konnte es nicht.
Sie wollte mehr, sie wollte Harfenklänge, Blütenträume, innig verbundene Herzen, Liebe und Treue bis in alle Ewigkeit. Wenn sie eins zu Hause gelernt hatte, dann das: Du kannst niemanden dazu bringen, dich zu lieben, wie sehr du es dir auch wünschst und sosehr du dich anstrengst.
Evie entzog ihm ihre Hand. „Nein.“
„Verdammt, Evie!“ Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Ich habe dir ein Haus gekauft. Was willst du noch von mir?“
„Häuser kann ich mir selbst kaufen.“
„Was willst du dann?“
„Dich, Finn! Ich will dich. Ich will, dass du mich an dich heranlässt, dich öffnest. Ich will jedes deiner Geheimnisse wissen, von jedem traurigen Tag in deinem Leben und von jeder Träne, die du geweint hast. Und ich wünsche mir, dass du mich nach mir fragst, nach meinen Geheimnissen, nach meinen Träumen, nach meinen Enttäuschungen im Leben. Ich will alles über Isaac wissen, wie es war, als er in deinen Armen starb, und wer Lydia ist und welche Rolle sie in deinem Leben spielt. Ich will, dass du mir von deiner Kindheit erzählst und von deiner Zeit beim Militär. Alles!“
Evie musste nach Luft schnappen. Sie zog ihre Bluse über den Babybauch und stemmte die Hände in die Seiten. „So sieht’s aus. Für weniger bin ich nicht zu haben. Weniger bedeutet, dass ich mich aufgeben würde.“
Ihm schwirrte der Kopf. Sie will zu viel. Was sie verlangte, hatte er niemandem zugestanden. Nicht Lydia und nicht einmal Isaac.
„Herrgott, Evie.“ Finn verlor allmählich die Geduld. „Ich habe mir das nicht ausgesucht. Ich wollte nie Vater werden. Aber es ist nun mal passiert, und hier bin ich. Ich stelle mich meiner Verantwortung. Kannst du mir nicht wenigstens auf halbem Weg entgegenkommen?“
Sie hatte das Gefühl, gleich zu explodieren! Evie holte bebend Luft. „Das hier …“ Sie deutete auf das Haus, den Garten, den Hafen. „… ist keine Verständigung auf halbem Weg. Das hier ist mit Vollgas in die falsche Richtung! Warum reden wir nicht über Elternzeiten? Darüber, wie wir unseren Beruf und ein Kind unter einen Hut bringen, ohne dass einer von uns zu kurz kommt? Darüber, welche Schulen es besuchen soll, und darüber, wie wir unsere Testamente neu formulieren?“
Evie schien sich zwar etwas beruhigt zu haben, aber Finn befürchtete, dass ihm die Sache langsam entglitt. So hatte er sich den heutigen Tag nicht vorgestellt. „Was ist mit dem Haus?“
„Es ist wundervoll“, sagte sie sanft. Wenn die Dinge anders lägen, sie würde morgen mit ihm hier einziehen. „Unser Sohn wird sich hier mit dir sehr wohlfühlen. Aber ich werde dich nicht heiraten, Finn. Nicht, wenn du mich nicht liebst.“
„Ich will keine von diesen blöden modernen Vereinbarungen für mein Kind“, sagte er störrisch. Seine eigene Kindheit war ein einziges Hin und Her zwischen wechselnden Familien gewesen, und er hatte es gehasst. „Das verwirrt ihn nur.“
„Nicht, wenn er es nicht anders kennt“, meinte sie und sah ihn nachdenklich an. „Ich hätte dich nie für so traditionell gehalten.“
„Kinder sollten bei ihren Eltern aufwachsen. In einem gemeinsamen Haushalt.“
„Klar. Im Idealfall. Aber die Umstände sind nun mal nicht ideal. Trotzdem bin ich sicher, dass ich meinen Teil dazu beitragen kann, dass unser Sohn liebevoll aufwächst und gut versorgt ist.“
Ihre Gelassenheit zerrte an seinen Nerven. Er war sich sicher, dass er nicht in der Lage war, ein Kind großzuziehen. Er brauchte Evie. Gut, er konnte seinem Sohn zeigen, wie man angelte, Feuer machte oder auf Bäume kletterte. Aber wie man Liebe und Geborgenheit schenkte, davon hatte er nicht die geringste Ahnung. Und es setzte ihm mehr zu, als er sich jetzt eingestehen wollte.
Vielleicht teilte er deshalb aus. „Bist du sicher? Bisher hast du wohl eher das Gegenteil bewiesen“, meinte er spöttisch. „Du hast dir einen Stromschlag eingehandelt, wärst fast ertrunken und warst als Folge dessen stark unterkühlt.“
Evie keuchte auf und legte die Hand schützend auf ihren Bauch. „Dem Baby ist nichts passiert, es ist gesund und kräftig“, antwortete sie sichtlich verletzt.
Finn überkam der gleiche Zorn wie an jenem Tag, als sie in der Rippströmung gefangen war. „Purer Zufall,
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