Julia Aerzte zum Verlieben Band 60
verdrängen. Die ersten zarten Bewegungen heute Morgen machten ihr unabwendbar bewusst, dass sie Mutter wurde. Dass sie Finns Baby unter dem Herzen trug. Und dass er ein Recht darauf hatte, es zu erfahren.
Evie drehte sich wieder zu ihrem Vater um. „Ich glaube, ich weiß jemanden, der eine Ahnung haben könnte, wo er sich aufhält.“
Evie war die letzten drei Nachmittage vor Marco D’Arvellos Sprechzimmer auf und ab getigert, besten Willens, den gynäkologischen Chefarzt des Sydney Harbour aufzusuchen, sobald seine letzte Patientin gegangen war.
Nur um im letzten Moment zu kneifen, sobald sich die Tür öffnete.
Heute war es kaum anders. Es war fünf Uhr, der Wartebereich leer, und Marcos Tür ging auf. Evie sprang von ihrem Stuhl hoch, auf dem sie in der vergangenen halben Stunde nie länger als ein paar Minuten hatte still sitzen können, und eilte zum Fahrstuhl.
„Evie?“
Eine tiefe samtige Männerstimme mit italienischem Akzent hielt sie auf. Marcos Frau Emily, Hebamme hier am Krankenhaus, musste sehr glücklich sein, jeden Morgen neben einem Mann aufzuwachen, der so eine sexy Stimme hatte. Und nicht nur das … groß, dunkelhaarig und ausgesprochen attraktiv zog der Italiener Frauenblicke wie magnetisch an. Aber er hatte nur Augen für Emily.
Oh ja, dachte Evie, jeden Morgen neben dem Mann, den man liebt, aufzuwachen muss wunderschön sein.
Marco kam auf sie zu. „Seit drei Tagen lungerst du vor meiner Tür herum“, meinte er augenzwinkernd. „Willst du vielleicht zu mir?“
Evie zögerte. Sie wusste nicht genau, was sie wollte. Schließlich konnte ihr ein Gynäkologe auch nicht mehr sagen als das, was sie längst wusste. Und doch hatte es sie immer wieder hierhergezogen.
„Komm“, sagte er sanft, umfasste ihren Ellbogen und führte sie in sein Zimmer.
Evie ging mit ihm. Warum kann ich nicht jemanden wie Marco lieben? haderte sie mit dem Schicksal. Jemand, der liebevoll ist und ein Halt, wann immer man ihn braucht?
Jemand, der lieben kann.
Sie hörte die Tür ins Schloss fallen und ließ sich bereitwillig zu dem Besucherstuhl begleiten.
„Du bist schwanger?“ Marco setzte sich hinter seinen Schreib tisch.
Verblüfft starrte sie ihn an. „Woher …?“ Sie blickte auf ihren Bauch und legte die Hand auf die leichte Wölbung. Evie war schlank und sportlich, und wenn sie nackt war, sah man ihr die Schwangerschaft an. Aber in der weiten OP-Kleidung, die sie hier im Krankenhaus trug … auf keinen Fall!
Marco lächelte. „Andere werden es nicht merken, aber ich habe einen Blick dafür. Das bringt der Beruf so mit sich.“
Evie nickte. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander, und eine Zeit lang sah sie Marco nur stumm an. „Entschuldige“, brachte sie schließlich hervor. „Ich weiß nicht, warum ich hier bin.“
Wenn er ihre Bemerkung seltsam fand, so ließ er sich nichts anmerken. Sie war schwanger, er Gynäkologe. Natürlich lag es auf der Hand, warum sie hier war. Sie hätte schon viel früher kommen müssen.
Marco wartete geduldig, dass sie weitersprach.
„Ich habe es noch niemandem erzählt“, sagte sie.
„Wievielte Woche?“
„Achtzehnte.“
„Und du warst nicht beim Arzt?“, fragte er erstaunt.
„Ich hatte zu tun“, verteidigte sie sich. „In der Notaufnahme ist immer der Teufel los, und … die Zeit rennt eben.“ Sie sah auf ihre Hände, die immer noch auf dem Bauch lagen. Eigentlich gab es keine Entschuldigung, dass sie sich und ihr Kind vernachlässigt hatte. Sie hätte längst zur Vorsorge gehen müssen.
Meine Güte, du bist Ärztin. Du solltest es besser wissen!
„Geht es dir gut?“
Evie blickte auf. „Unverschämt gut. Ein bisschen Übelkeit in den ersten Wochen, ich war müde … bin es immer noch. Aber das ist alles.“
Anfangs hatte sie das Schlimmste erwartet. Finn war ein schwieriger Mann – und das war noch untertrieben –, und ein Kind von ihm würde ihr das Leben genauso schwer machen wie er. Aber bis jetzt war es eine Bilderbuchschwangerschaft gewesen.
Was es ihr allerdings leicht gemacht hatte, sie zu verdrängen.
„Wir sollten ein paar Bluttests machen“, schlug Marco vor. „Was hältst du davon, wenn du dich auf die Liege legst, und ich sehe es mir mal an?“
Als sie auf dem schmalen Bett lag, starrte sie an die Decke, während Marco den Uterus abtastete und den Fundusstand maß.
„Stimmt, achtzehn Wochen“, meinte er und schaltete das Ultraschallgerät ein.
„Nein.“ Evie richtete sich auf und zog ihren OP-Kittel über
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