Julia Aerzte zum Verlieben Band 60
Schutzmechanismen nicht mehr funktionierten. Finn musste sich die Wahrheit eingestehen.
Evie ging ihm unter die Haut.
Und das machte ihm eine Höllenangst. Evie würde sich nicht mit einer Affäre begnügen. Nein, sie wollte ihn ganz. Und darauf konnte er sich nicht einlassen. Nicht bei seiner Geschichte, nicht bei seinem Seelenzustand.
Die tiefen Wunden, von denen Ethan vorhin gesprochen hatte, reichten viel weiter zurück als bis zu jenem furchtbaren Tag vor zehn Jahren.
Finn wusste nicht, wie er eine Frau lieben sollte. Er hatte noch nie geliebt. Nicht einmal Lydia.
„Wie hast du mich gefunden?“
Evie drehte sich um. Finn im Liegestuhl, eine Flasche Bier in der Hand … so entspannt hatte sie ihn noch nie erlebt.
Okay, da war der wachsame Blick, mit dem er sie seit ihrer Ankunft musterte. Doch dieser Finn unterschied sich gewaltig von dem im Harbour. Der alte Finn war ein ernster, von Arbeitseifer getriebener Topchirurg. Scharfer Verstand, noch schärfere Zunge, immer in Bewegung, wie unter Strom.
Sein Lieblingsgetränk – guter alter Scotch.
Der neue Finn war so locker, dass er ein Hawaiihemd und eine Blüte hinter dem Ohr tragen könnte, ohne damit seltsam aufzufallen. Sein schlanker, athletischer Körper wirkte geschmeidig und fit, und eine attraktive Sonnenbräune verlieh seiner Haut einen honiggoldenen Schimmer. Kein Vergleich mit dem düsteren Mann, der wie ein Schatten durchs Leben geisterte, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte.
Er sieht aus, als hätte er jeden Tag stundenlang gesurft, dachte sie bewundernd.
Seine unglaublich blauen Augen, mit denen er sie oft so kalt und abweisend angeblickt hatte, erinnerten sie an lichtdurchflutete, sonnenwarme tropische Gewässer. Und am liebsten wäre sie tief eingetaucht.
Zuerst war sie nervös gewesen. Würde er ihr die Schwangerschaft ansehen? Aber der Gedanke war lächerlich, es dauerte mindestens noch einen Monat, bevor jemand etwas merkte. Außerdem wirkte Finn derart entspannt, dass sie wahrscheinlich mit Drillingen hätte auftauchen können, ohne ihn aus der Ruhe zu bringen!
Plötzliche Eifersucht drückte ihr das Herz zusammen. Nach diesem Finn hatte sie sich gesehnt. Sie hatte gewusst, dass er da war, dass er es ihr nur nie gezeigt hatte.
„Hat Daddy dir den Privatdetektiv spendiert?“
Das klang wieder mehr nach dem alten zynischen Finn, und sofort kochte es in ihr hoch. Evie musste sich beherrschen, nicht die Krallen auszufahren.
Sie räusperte sich. „Lydia hat es mir gesagt.“
„Lydia?“ Finn richtete sich abrupt auf. Seine Schwägerin, Isaacs Witwe, mit der er nach dem Tod seines Bruders eine unheilvolle Affäre gehabt hatte … „Du kennst Lydia?“
„Ich habe sie vor deiner Wohnung getroffen, zwei Tage, nachdem du verschwunden warst. Sie wollte ein paar Sachen für dich holen. Sie hat mir gesagt, dass es dir gut geht, aber dass du Abstand brauchst. Zeit … Dann gab sie mir ihre Telefonnummer.“
Er sank in den Stuhl zurück. Dass Lydia sich einmischen würde, damit hätte er nie gerechnet. Finn öffnete die Augen und sah, dass Evie ihn beobachtete.
„Deinem Arm geht es besser“, sagte sie.
Finn blickte hinunter, bewegte die Finger. „Ja.“ Manchmal konnte er es immer noch nicht glauben.
Evie drückte den Rücken fest gegen das Geländer. Sonst wäre sie zu Finn gestürzt, hätte ihn umarmt, sich auf seinen Schoß gesetzt und ihm gesagt, dass sie es doch gewusst hatte. Aber Finn wirkte im Moment gar nicht mehr so entspannt, und sie konnte auf einmal nur noch daran denken, was passiert war, als sie das letzte Mal auf seinem Schoß gesessen hatte.
Mit welchen Folgen …
Nicht jetzt, sagte sie sich. Von dem Baby würde sie ihm später erzählen. Erst musste sie ihn dazu bringen, mit ihr nach Sydney zu kommen und den Prinzen zu operieren.
„Du bist bestimmt froh darüber“, murmelte sie.
Finn hatte keine Lust auf Small Talk mit Evie. Vor zehn Minuten hatte er noch einen klaren Kopf gehabt, jetzt war sein Verstand plötzlich wie in Watte gehüllt.
Sie nach fünf Monaten unerwartet wiederzusehen, machte ihm unangenehm deutlich bewusst, wie sehr er sie vermisst hatte … ihre warmen braunen Augen, das aparte Gesicht. Und nicht nur das. Im Krankenhaus war es für ihn selbstverständlich gewesen, dass Evie da war, dass sie sich täglich sahen. Auch wenn er sie oft zurückgewiesen hatte.
All das hatte er schön verdrängen können, fünfhundert Kilometer von Sydney entfernt. Aus den Augen, aus dem Sinn. Aber
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