JULIA ARZTROMAN Band 26
tun hat.“
„Bist du sicher?“
„Selbstverständlich.“
„Wie ist sie dann in diesen Schlamassel geraten? Wie soll sie das schaffen – berufstätig sein, ein Kind allein großziehen? Du lieber Himmel, ich war erst achtzehn, als Annabel schwanger wurde. Mit Zwillingen! Aber zu zweit sind wir damit klargekommen. Und auch, als Edward nicht viel später geboren wurde. Wir haben zusammengehalten, wir waren eine Familie.“
Mit bitterem Unterton fügte er hinzu: „Und heute? Lucy erwartet ein Kind, und vom Vater keine Spur. Jack hat diese fixe Idee mit der Schönheitschirurgie, schleppt ein Partygirl nach dem anderen durch die Londoner Nachtszene und redet nicht mehr mit mir. Und Edward hält es in der Armee nicht aus. Wozu haben wir uns eigentlich so viel Mühe gegeben? Manchmal bin ich froh, dass Annabel das nicht erleben muss.“
„Oh, Nick.“ Seufzend lehnte Kate sich zurück. „Was redest du da? Annabel und du habt Großartiges geleistet. Eure Kinder hatten alle Chancen, die sie sich wünschen konnten, und alle drei sind hoch qualifizierte Ärzte. Du solltest stolz auf sie sein. Was willst du mehr?“
„Dass meine Tochter den Vater ihres Kindes heiratet. Einen Mann, der sie verdient! Dass meine Söhne nicht über die Stränge schlagen. Allerdings wäre ich schon zufrieden, wenn einer von ihnen mal wieder mit mir sprechen würde …“
„Und wann hast du zuletzt bei ihnen angerufen?“
Stille.
„Dachte ich mir. Lass ihnen Raum. Schick ihnen eine SMS, sag ihnen, dass du an sie denkst. Erzähl ihnen vom Haus, irgendwas, aber kritisier sie nicht ständig.“
Nick schnaubte nur.
Kate nahm ihm die leere Tasse aus der Hand und stand auf. „Komm, es wird Zeit, dass du nach Hause gehst. Ich muss schlafen und du auch. Du bist völlig erschöpft. Glaub mir, morgen sieht alles anders aus.“
„Meinst du?“
Sein trostloser Gesichtsausdruck ging ihr zu Herzen. Sie ahnte, dass er an Annabel dachte und daran, dass er in ein leeres Haus kommen würde. Das Gefühl kannte sie nur zu gut. Aber sie hatte wenigstens Jeremiah, und sie liebte ihren Sohn innig. Doch das änderte nichts daran, dass sie Abend für Abend einsam in ein kaltes Bett kroch.
„Gute Nacht, Nick“, sagte sie energisch und schloss die Tür hinter ihm.
4. KAPITEL
„War das Kate?“
Lucy nickte und strich sich die Locken aus dem Gesicht. „Entschuldige. Mein Vater hat sich Sorgen gemacht. Mein Wagen steht nicht am gewohnten Platz, und bei mir zu Hause brennt kein Licht, da hat er es wohl mit der Angst zu tun bekommen.“
Bekümmert saß sie in der Sofaecke, und Ben hätte sie gern in die Arme genommen. Aber er wollte sie nicht bedrängen. „Ich kann das verstehen, er hat einige Schicksalsschläge einstecken müssen. Er wird eben unruhig, wenn er nicht weiß, wo du steckst. Das hat nichts damit zu tun, dass du schwanger bist und allein lebst.“
„Ja, ich weiß, aber es nervt mich. Deshalb will ich auch nicht zu ihm ziehen. Er würde mich innerhalb einer Woche total verrückt machen.“
Ben musste lächeln. Natürlich war sie frustriert, aber in dem Punkt hätte er ihrem Vater die Hand reichen können. Er wollte auch nicht, dass sie allein wohnte. „Also, wenn du nicht in deiner Wohnung bleiben kannst und weder zu deinem Vater noch zu mir ziehen willst, wo willst du dann leben?“ Es kostete ihn einige Überwindung, einen neutralen Ton anzuschlagen. „Falls du es dir aussuchen könntest, was hättest du am liebsten?“
„Einfach mal gesponnen? Mein Traumhaus?“ Ein wehmütiges Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Das Haus meiner Großeltern. Es ist alt und ein bisschen heruntergekommen, aber ich liebe es. Früher war es eine Farm. Als mein Großonkel kinderlos starb, hat meine Großmutter die Farm verkauft und nur das Haus behalten. Neulich war ich mit Dad noch einmal dort, nachdem der letzte Mieter ausgezogen war. Leider müsste man viel Geld hineinstecken, um es wieder neu zu vermieten. Deshalb hat Dad beschlossen, es zu verkaufen. Nächste Woche soll es versteigert werden.“
„Wirklich?“ Ben wurde hellhörig.
„Ja, leider. Seit Generationen hat es unserer Familie gehört. Ich glaube, Dad denkt genauso, sieht aber keine Möglichkeit, es zu halten. Ich selbst kann es mir nicht leisten, und meine Brüder sind überzeugte Junggesellen. Für so etwas interessieren sie sich nicht. Das Haus ist nicht groß, aber dafür hat es einen hinreißenden Blick aufs Meer und einen wunderschönen Garten. Dort würde ich gern
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