JULIA ARZTROMAN Band 26
Brauereifahrer, die die Getränke für den Neujahrsball ausliefern, klagte über Brustschmerzen.“ Sie stellte die Tasse auf den Schreibtisch. „Schwarz, kein Zucker. Stimmt doch, oder?“
Verdutzt hob Amy den Kopf. „Ja.“
„Ein Tipp von Marco. Er meinte, bevor du morgens nicht deinen Kaffee gehabt hast, wärst du zu nichts zu gebrauchen.“
Erinnerungen an ausgedehnte Morgenstunden mit Marco im Bett stiegen in ihr auf. Amy spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Sie streckte die Hand aus und betätigte den Summer. „Ich danke dir, Kate. Am besten mache ich gleich weiter. Ist bei euch jeder Tag so?“
Die Praxismanagerin lachte. „Nein. Manchmal haben wir richtig viel zu tun.“
Es war also kein Spielchen gewesen. Marco hatte wirklich keine Zeit für ein Gespräch gehabt.
Der nächste Patient war ihr noch aus Kindertagen vertraut. Rob, der alte Fischer, hatte sich die Hand verletzt, und die Wunde hatte sich entzündet. Amy verschrieb ihm ein Antibiotikum.
Rob nahm das Rezept und stand auf. Kopfschüttelnd blickte er auf sie herunter. „Kleine Amy. Kommt mir vor, als wär’s gestern, dass Sie mir bis hier gingen“, brummte er und zeigte auf seine Hüfte. „Jeden Sommer haben Sie Ihre Großmutter besucht und in dem kleinen Cottage an der Küste gewohnt. Sie waren immer allein, haben nie mit den anderen Kindern gespielt. Oft standen Sie am Hafen und haben zugesehen, wie wir den Fang reinbrachten. Mit ernsten Augen und still, als würden Sie überlegen, ob Sie beim nächsten Mal mit in See stechen sollen.“
Amy vergaß den nächsten Atemzug.
Genau das hatte sie tatsächlich gedacht. Morgen für Morgen war sie zum Kai gegangen, hatte den Kuttern nachgeschaut und sich gewünscht, mit der Flut davongleiten zu können. Hin zu einem neuen Leben. Einem besseren Leben.
Das Glück fällt dir nicht in den Schoß, Amy, du musst es schon suchen.
Rob runzelte die Stirn. „Sie sehen blass aus. Alles in Ordnung?“
Nur mit Mühe gelang ihr ein Lächeln. „Ja, sicher.“
„Ihre Großmutter war eine gute Frau. Und so stolz auf Sie.“
„Sie wollte immer, dass ich Ärztin werde.“
„Klar.“ Rob grinste. „Sie hat jedem, der es hören wollte, das Neueste von ihrer klugen Enkelin erzählt.“ Das Lächeln wurde wehmütig. „Wir vermissen sie. Aber die jungen Leute, denen Sie das Cottage verkauft haben, sind nett. Sie haben inzwischen zwei Kinder.“
„Das ist schön.“ Amy stand auf. Sie hatte genug von den alten Erinnerungen. „Falls die Hand Schwierigkeiten macht, müssen Sie noch einmal wiederkommen, Rob.“
Der Fischer rührte sich nicht. „Sie hat sich gewünscht, dass Sie heiraten und Kinder kriegen. Sie und Dr. Avanti, das hätte ihr gefallen. Schön, dass Sie wieder da sind. Auch für die Praxis. Die können wirklich Verstärkung gebrauchen, nachdem Lucys Baby zu früh gekommen ist.“
Wieder da? „Ich wollte eigentlich nicht … ich meine …“ Achselzuckend unterbrach sie sich. „Hab mich sehr gefreut, Sie zu sehen, Rob.“
Wozu sollte sie lang und breit erklären, dass sie nicht bleiben würde? Sie würden noch früh genug merken, dass ihr Besuch nur von kurzer Dauer war.
Nachdem sie ihren Patienten zur Tür begleitet hatte, setzte sie sich wieder hinter den Schreibtisch und stützte den Kopf in die Hände. Hinter ihren Schläfen pochte es unangenehm, und ihr Hals fühlte sich an wie zugeschnürt.
„Eine Sprechstunde in Penhally Bay scheint nicht einfacher zu sein als eine in Afrika – wenn ich deinen Gesichtsausdruck richtig deute.“
Die tiefe samtweiche Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Amy fuhr hoch und ließ die Hände in den Schoß sinken. So entschlossen sie gewesen war, mit Marco ein klärendes Gespräch zu führen, so sehr fürchtete sie sich plötzlich davor.
3. KAPITEL
„Marco. Ich … ich habe dich nicht kommen hören.“
„Anscheinend warst du meilenweit weg.“ Er stieß die Tür zu und schlenderte ins Zimmer. „Du bist blass. Was ist los?“
Amy nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit Rouge zu benutzen. Sie lachte freudlos auf. „Ich dachte, das wäre klar.“
„Mir nicht. Du hattest kein Problem, ohne ein Wort auf und davon zu gehen. Ein paar Erinnerungen sollten dir nichts ausmachen.“
„So einfach war es für mich nun auch wieder nicht, Marco. Ich habe nur getan, was für uns beide richtig war.“
„Nein, für dich. Ich wurde nicht gefragt.“ Ärger glomm in seinen Augen auf, als er vor den Schreibtisch trat. „Du hast es nicht
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