JULIA ARZTROMAN Band 26
ihre Gefühle nicht verändert. Sie liebte Marco Avanti immer noch, und sie würde ihn bis an ihr Lebensende lieben.
Ohne Michelle aus den Augen zu lassen, griff Marco zum Telefon und rief die diensthabende Kinderärztin an. Die Atmung des Mädchens gefiel ihm nicht.
Hatte er etwas übersehen?
Normalerweise zweifelte er nicht an seinem ärztlichen Sachverstand. Aber es war ihm auch noch nie passiert, dass er sich um einen Notfall kümmern musste, nachdem seine Frau unverhofft in seiner Praxis aufgetaucht war. Oder sollte er lieber sagen, Exfrau? Sie hatte gesagt, sie wolle die Scheidung.
Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich verunsichert. Schuld daran war Amy.
Er konzentrierte seine Gedanken wieder auf Michelle und beendete das Gespräch. Noch einmal ging er genau durch, was bei einem Asthmaanfall bei Kleinkindern zu tun war. Nein, er hatte alles richtig gemacht.
Amy beobachtete ihn. Wartete sie auf den richtigen Moment, ihn um die Scheidung zu bitten? Warum ausgerechnet jetzt? In der Praxis war die Hölle los, und sie hatten einen Arzt zu wenig. Er hatte keine Zeit, sich mit Amy, mit Scheidung oder damit zu befassen, wie er seine Ehe retten sollte.
Die Tür öffnete sich, Kate eilte herein. „Carol, Ihr Mann hatte den Krankenwagen zu uns umgeleitet. Einer der Sanitäter wartet vorn und möchte wissen, ob sie noch gebraucht werden. Soll Michelle ins Krankenhaus?“
Carol sah Marco an. „Meinen Sie, das ist wirklich nötig?“
Entschlossen drängte er seine eigenen Probleme in den Hintergrund und nickte. „Auf jeden Fall. Die Kinderärztin ist informiert. Sie will Michelle über Nacht zur Beobachtung dabehalten. Vielleicht muss sie andere Medikamente bekommen.“
Carol schloss kurz die Augen. „Das wird nicht leicht“, flüsterte sie. „Michelle ist noch so klein und sehr ängstlich. Ich mache mir solche Sorgen. Ich möchte so gern, dass sie ein normales Leben führt. Was soll erst werden, wenn sie zur Schule muss?“
„Eins nach dem anderen, Carol“, sagte er beruhigend und drückte ihr die Schulter. „Ich spreche die Behandlung mit der Klinik ab, und dann beobachten wir genau, wie es Michelle den Winter über geht. Und wenn Sie Kummer haben, können Sie sich jederzeit einen Termin bei mir geben lassen. Gemeinsam schaffen wir es. Auch, dass Sie besser mit Lizzie fertig werden.“
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Carol biss sich auf die Lippe. „Sie sind so nett, Doktor, ich muss gleich weinen.“ Sie presste die Hand auf den Mund. „Entschuldigen Sie, ich komme mir vor wie ein Idiot.“
„Nein, Carol, Sie lieben Ihre Kinder, und Sie sind müde und voller Sorgen.“ Sein Blick glitt zu Michelle. Das ungute Gefühl blieb. Das Mädchen war bleich, die Atemfrequenz zu hoch. Marco fasste einen Entschluss. „Ich fahre mit“, sagte er zu Kate.
„Du willst die Praxis verlassen, mitten in der Sprechstunde?“
Da er sich bewusst war, dass Carol zuhörte, versuchte er es mit einer humorvollen Antwort. „Was heißt hier mitten ?Ich habe noch nicht einmal richtig angefangen.“ Marco griff nach seiner Arzttasche.
Kate machte ein verzweifeltes Gesicht. „Marco, das Wartezimmer ist brechend voll. Dr. Roberts und Dr. Lovak sind auch mit Patienten beschäftigt, und da Lucy …“
„Wir haben hier ein krankes Kind, um das ich mich kümmern muss“, unterbrach er sie sanft und warf den Püster mit dem krampflösenden Mittel in die Tasche.
„Okay.“ Kate seufzte leise.„Fahr mit ihr. Wir kommen schon irgendwie klar.“
Schuldbewusst blickte Carol von einem zum anderen. „Es tut mir so furchtbar leid.“
„Das muss es nicht. In dieser Praxis bekommt jeder Patient so viel Aufmerksamkeit, wie er braucht. Die anderen Patienten werden sich nicht beschweren, weil sie genau wissen, dass ihnen eines Tages das Gleiche passieren kann.“ Marco sah zu Amy hinüber, die unbehaglich und ein wenig verloren in der Ecke stand. „Amy kann mit meiner Sprechstunde weitermachen. Dann brauchen Nick und Dragan keine Patienten zusätzlich zu übernehmen.“
Anscheinend hätte er ihr genauso gut vorschlagen können, nackt durch den Hafen zu laufen. Sie starrte ihn schockiert an. „Ich …?“
„Ja, du. Du bist Allgemeinärztin. Wir stecken in einer Krise, und du möchtest uns bestimmt gern helfen.“
„Aber …“
„Was für eine grandiose Idee! Das wäre fantastisch“, rief Kate erleichtert aus und schob Carol zur Tür hinaus, wobei sie nach der rosa Decke griff, die zu Boden zu gleiten
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