JULIA ARZTROMAN Band 26
Papierstapel beiseite. „Und in der ersten Schublade liegt eine Liste der Krankenhausärzte, falls du jemanden einweisen musst.“
Amy sah ihr nach, als sie das Zimmer verließ, und betätigte rasch den Summer, bevor sie vollends den Mut verlor.
„Hallo, Mrs. …“ Lächelnd blickte sie ihrer ersten Patientin entgegen und sah auf die Karte. „… Duncan. Dr. Avanti begleitet einen Notfall ins Krankenhaus, und ich springe solange für ihn ein. Was kann ich für Sie tun?“
„Ich fühle mich seit Tagen nicht wohl. Erst dachte ich, es ist eine Erkältung, aber jetzt habe ich diese bohrenden Kopfschmerzen. Mein rechtes Auge juckt, und die Haut rundherum ist irgendwie taub.“
„Den Ausschlag auf Ihrer Nase, wie lange haben Sie den schon?“
„Damit bin ich aufgewacht. Entzückend, wie?“ Mrs. Duncan lachte matt. „Jetzt sehe ich auch noch aus wie ein Clown. Das Kleid, das ich mir für den Neujahrsball gekauft habe, kann ich wohl im Schrank lassen. Es sei denn, der Veranstalter macht einen Maskenball daraus.“
Sorgfältig untersuchte Amy die gerötete Stelle und erinnerte sich, dass sie so etwas schon einmal in Afrika gesehen hatte. „Seit heute Morgen, sagten Sie?“
„Ja.“ Sie seufzte. „Wenn man glaubt, das Leben ist schlimm genug, holt es zum nächsten Schlag aus.“
Amy rang sich ein Lächeln ab. „Ich weiß, was Sie meinen.“
„Ich hätte mich damit draußen gar nicht blicken lassen, aber die Schmerzen sind kaum auszuhalten. Keine Ahnung, woher dieser Ausschlag kommt. Weihnachten war ich allein, ich kann mich nirgends angesteckt haben.“
Nachdem sie sich die Hände gewaschen hatte, setzte sie sich wieder hinter den Schreibtisch. „Es ist Herpes, Mrs. Duncan.“
„Herpes?“, kam die verblüffte Antwort. „Im Auge? Das gibt’s doch nicht!“
„Leider doch. Ich überweise Sie ins Krankenhaus, dort wird man Ihre Augen genauer untersuchen. Aber ich gebe Ihnen ein Rezept für Aciclovir mit. Es zeigt gute Wirkung, wenn man es innerhalb von zweiundsiebzig Stunden nach Auftreten der ersten Symptome anwendet.“ Sie wählte das Präparat aus, und gleich darauf spuckte der Drucker leise surrend das Rezept aus.
Mrs. Duncan verstaute den Zettel in ihrer Handtasche. „Muss ich sofort ins Krankenhaus?“
„Am besten ja. Ich rufe gleich durch und melde Sie an. Gehen Sie direkt zur Augenstation.“
„Danke.“ Sie wirkte noch immer überrascht. „Ich hatte ja alles Mögliche erwartet, aber nicht das.“
„Falls Sie Fragen haben, kommen Sie gern wieder, dann reden wir darüber.“
Im selben Moment fiel ihr ein, dass sie schon in wenigen Stunden nicht mehr hier sein würde. Amy blickte auf ihre Armbanduhr und fragte sich, wie lange Marco wohl wegblieb. Und wie ging es Michelle inzwischen? Es war ein komisches Gefühl, wieder in England zu sein und eine Sprechstunde abzuhalten.
Der Strom der Patienten schien endlos. Als wieder einmal die Tür aufging, betrat zu ihrem Erstaunen jedoch Nick Roberts das Zimmer.
„Nick.“ Sie erhob sich hastig. „Ich … schön, dich zu sehen.“
„Ganz meinerseits.“ Prüfend blickte er sie an. „Was für eine Überraschung.“
„Ja. Ich, also … Marco und ich haben etwas zu besprechen, und auf einmal war hier der Teufel los, und jetzt helfe ich ein wenig aus.“ Sie lächelte schwach, während sie wieder in den Sessel sank.
„Vielen Dank, das ist unsere Rettung. Wie geht es dir?“
„Gut“, log sie. „Und dir? Ich habe gehört, dass Lucy dich zum Großvater gemacht hat. Herzlichen Glückwunsch! Obwohl ich sagen muss, dass du dafür viel zu jung aussiehst.“
„So geht es einem, wenn man früh Kinder bekommt“, meinte er trocken. „Wie war es in Afrika?“
„Interessant.“ Miserabel . Sie zögerte. „Das mit Annabel tut mir aufrichtig leid, Nick.“
„Danke. Auch für deine Karte.“ Die Antwort klang kühl und sachlich. Nick verriet mit keinem Wort, was in ihm vorging. „Und? Wie sehen deine Pläne aus, Amy?“
Als Nächstes? Die Scheidung . Laut sagte sie: „Ich weiß noch nicht genau. Marco und ich müssen erst miteinander reden.“
Er nickte. „Falls es in der Sprechstunde irgendwelche Schwierigkeiten gibt, ruf mich an. Oder Dragan.“
„Danke.“ Gedankenvoll blickte sie ihm nach.
Eine Minute später erschien Kate mit einer Tasse Kaffee.
„Ist der für mich?“
„Den hast du dir verdient. Im Wartezimmer sehen wir endlich Land.“
„Ist Marco schon zurück?“
„Ja, doch er musste gleich wieder los. Einer der
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