JULIA ARZTROMAN Band 26
war. Dass er fragen würde, ob sie ihn geliebt hatte.
Das war die schwierigste Lüge von allen gewesen.
Dankbar für die Atempause beobachtete sie, wie er durchs Zimmer marschierte und das Telefon von der Station nahm.
„Nick?“, meldete er sich ungeduldig. „Gibt es Probleme?“
Amy schlang die Arme um sich. Am liebsten hätte sie sich ganz in dem weiten Pullover verkrochen. Was mochte der Seniorpartner von ihr denken, nachdem sie unverhofft wieder in Penhally Bay aufgetaucht war? Dass sie Marco von der Arbeit abhielt, ausgerechnet dann, wenn sie so viel zu tun hatten?
Anscheinend brauchte Nick ausführliche Informationen zu einem Patienten. Marco hatte sich auf dem Sofa niedergelassen, die langen Beine ausgestreckt, und diskutierte den Fall.
Er hat nie Ruhe, überlegte sie, während sie zuhörte. Er ist immer für seine Patienten da. Vom ersten Tag an hatte er in der Praxis alles dafür getan, um die medizinische Versorgung in und um Penhally Bay entscheidend zu verbessern.
Er wäre ein wundervoller Vater.
Übelkeit stieg in ihr auf. Nicht, ermahnte sie sich, denk nicht daran. Nicht jetzt. Sie durfte es nicht riskieren, dass Marco Verdacht schöpfte.
„Amy?“ Er legte das Telefon wieder hin. „Entschuldige die Unterbrechung. Seit Lucy weg ist, wächst uns die Arbeit über den Kopf. Der Schnee macht alles noch schlimmer. Solche Wetterverhältnisse sind die Leute nicht gewohnt. Wie viele sind schon ausgerutscht und haben sich die Knochen gebrochen!“ Er fuhr sich mit der flachen Hand übers Gesicht. „Und in ein paar Tagen ist Silvester.“
Aus Erfahrung wusste Amy, dass die Silvesternacht für das Praxisteam eine besondere Herausforderung bedeutete. Mit einem Arzt weniger wirklich kein Zuckerschlecken. „Habt ihr noch keine Vertretung gefunden?“
„Kate arbeitet daran. Ehrlich gesagt hat niemand damit gerechnet, dass das Baby so viel eher kommen würde.“ Marco legte den Kopf gegen die Lehne und schloss die Augen.
Amy betrachtete ihn sehnsüchtig. Früher hatte sie die Morgenstunden geliebt. Wenn Marco noch schlief und sie ihn glücklich und verliebt ansehen konnte, ohne Angst haben zu müssen, zu viel von sich preiszugeben.
„Heute Nachmittag sagte sie, sie hätte vielleicht jemanden. Aber er kann erst im Februar anfangen. Bis dahin müssen wir durchhalten. Dabei fällt mir ein … wie war die Sprechstunde?“ Er schlug die Augen auf, und sie wurde rot, weil er sie beim Starren ertappt hatte.
„Interessant.“ Über die Arbeit zu sprechen half ihr aus der Verlegenheit. „Abgesehen vom üblichen Husten, Schnupfen, Heiserkeit hatte ich einen Fall von Augenherpes.“
„Wirklich?“ Er hob eine Augenbraue. „Bei wem?“
„Einer Mrs. Duncan.“
„Paula? Sie ist Schriftstellerin. Kriminalromane, glaube ich. Ihr Haus ist das weiße oben auf den Klippen. Bist du sicher, dass es Augenherpes ist?“
Erstaunlich, wie viel er über seine Patienten weiß … Amy nickte. „Sie hatte die klassischen Symptome.“
„Hast du sie ins Krankenhaus geschickt?“
„Ja.“
„Arme Paula. Hast du ihr Aciclovirtabletten verschrieben? Achthundert Milligramm?“
Sie seufzte. „Marco, wenn du mir das nicht zutraust, frag mich nicht, ob ich deine Sprechstunde übernehme.“
„Entschuldigung.“ Er lächelte, das erste aufrichtige Lächeln, seit sie heute Morgen sein Sprechzimmer betreten hatte. „Ich bin es nicht gewohnt, Aufgaben abzugeben. Vor allem nicht an meine Frau.“
Die dunklen Augen wurden schmal, als er sie musterte. Lässig saß er da, die langen Beine an den Knöcheln gekreuzt. Er sah umwerfend aus. Amy wurde der Mund trocken, und ihr Herz schlug heftig gegen die Rippen.
„Es war ja nur die eine Sprechstunde“, murmelte sie und wandte sich ab.
„Und, was hast du für Pläne? Fliegst du wieder nach Afrika, oder schicken sie jemand anders?“
„Ich weiß es nicht. Sie haben mich gefragt, ob ich nach Pakistan gehen will.“
„Aber du hast noch nicht zugesagt.“
„Noch nicht, nein.“ Amy blickte ihn wieder an. „Ich wollte dies hier erst in Ordnung bringen.“
Marco hielt ihren Blick fest. „Also hast du keinen Job. Du, die ihre Arbeit über alles liebt.“ Der Sarkasmus war nicht zu überhören.
„Ich bin nicht arbeitslos. Ich gehe dorthin, wo man mich braucht.“
„Tatsächlich? Dann mache ich dir einen Vorschlag. Du bleibst die nächsten vier Wochen in Penhally Bay und arbeitest in der Praxis. Bestimmt hast du gemerkt, dass wir Verstärkung nötig haben.“
Ihr
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