JULIA ARZTROMAN Band 26
wartete eine kleine Menschenansammlung auf sie. Auch Mary, die Mutter der drei Jungen, war dabei.
„Ich hatte sie in den Garten geschickt, weil sie nur vor ihren Computerspielen hockten. Als ich sie zum Mittagessen rief, waren sie alle drei weg.“ Sie presste die Hand vor den Mund, konnte ein Schluchzen jedoch nicht unterdrücken. „Was ist mit Eddie? Alle sagen, er ist schwer verletzt …“
Sofort trat Marco zu ihr und legte ihr den Arm um die Schultern. „Es sind Jungen, sie haben gespielt“, sprach er beruhigend auf sie ein. „Alfie hat eine Schnittwunde am Kopf, aber das lässt sich mit ein paar Stichen problemlos nähen. Eddie ist auf dem Weg ins Krankenhaus.“ Er erklärte ihr, was passiert war.
„Mein Mann hat den Wagen.“ Ihre Hände zitterten so sehr, dass sie ihre Handtasche fallen ließ, als sie nach dem Handy suchte. „Er hilft meinem Bruder, einen alten Gartenschuppen abzureißen. Bei dem Wetter kann es eine Ewigkeit dauern, bis er wieder zurück ist.“
Marco bückte sich und reichte ihr die Tasche. „Ich fahre Sie ins Krankenhaus. Bis zur Nachmittagssprechstunde bin ich rechtzeitig wieder hier. Sagen Sie Ihrem Mann, dass Sie sich mit ihm in der Klinik treffen.“
Tränen schimmerten in Marys Augen. „Würden Sie das wirklich machen? Sie haben doch Wichtigeres zu tun.“
Er blickte Amy an, und sie wusste, was er dachte. Unser Ge spräch.
Also lag die Entscheidung bei ihr. Entweder bestand sie darauf, ihre Unterhaltung fortzusetzen, oder sie ließ eine angsterfüllte Mutter so schnell wie möglich zu ihren Kindern.
„Wir reden später“, sagte sie leise und gab ihm seinen Mantel zurück. „Mein Zug fährt erst um vier.“
Ein kaum wahrnehmbares Zögern, dann griff Marco in seine Hosentasche und holte einen Schlüsselbund heraus. „Setzen Sie sich schon mal in den Wagen, Mary, ich komme gleich nach.“
Amy lächelte schwach. „Du lässt jemand anders an deinen kostbaren Maserati?“
„Nur weil ich mit dir sprechen will, ohne dass einer zuhört“, sagte er rau. „Du frierst, du brauchst eine heiße Dusche. Geh in die Praxis, lass dir von Kate trockene Kleidung geben, und dann warte auf mich. Wir unterhalten uns, sobald ich zurück bin.“
„Unser Gespräch scheint unter einem schlechten Stern zu stehen. Die Zeit läuft uns davon.“
„Bleib über Nacht.“
Amy traute ihren Ohren nicht. „Ausgeschlossen.“
„Ich dachte, du willst mit mir reden? Heute Abend wird uns niemand stören, Amy. Ich habe keine Rufbereitschaft. Du kannst zu mir kommen, wir essen zusammen und reden. Und morgen früh nimmst du den ersten Zug. Ich bringe dich auch zum Bahnhof.“
„Das ist …“ Unmöglich . „Nein, ich kann nicht.“
„Amy.“ Seine Stimme klang ungeduldig, während er zum Maserati hinüberblickte. „Das können wir nicht in ein paar Minuten abhandeln. Du wolltest dieses Gespräch, und wir sollten uns genügend Zeit dafür nehmen. Vielleicht ist es besser, wenn ich dir die Hausschlüssel gebe, und du fährst direkt zu mir und duschst dort. Ja, das ist eine gute Idee. Gegen sechs müsste ich in der Praxis fertig sein, dann können wir reden.“
Nein, nicht ins Haus! Genau das hatte sie vermeiden wollen. Die Erinnerungen waren zu schmerzlich.
„Ich glaube nicht, dass …“
„Mach es nicht komplizierter, als es ist, Amy.“ Er drückte ihr die Hausschlüssel in die Hand. „In meinem Wagen sitzt eine Mutter, die vor Sorge halb verrückt ist. Im Krankenhaus warten zwei kleine Kinder auf ihre Mutter. Sie brauchen meine Hilfe, und du hältst mich auf.“
Amy schluckte und schloss die Finger um die Schlüssel. „Bis nachher.“
Marco betrat das Haus und ging direkt in das große Wohnzimmer, von dem aus man eine atemberaubende Sicht aufs Meer hatte.
Amy stand am Fenster und starrte in die Brandung. Sie trug noch immer ihre Hose aus feinem Wollstoff, hatte sich aber einen seiner Pullover angezogen, was ihre zarte Aura unterstrich.
Als er in den Raum kam, drehte sie sich nicht um. Doch ihre schmalen Schultern spannten sich an, also hatte sie seine Anwesenheit gespürt. „Der Ausblick ist unglaublich“, sagte sie, und es klang wehmütig. „Ich habe dieses Zimmer gesehen und wusste sofort, das ist das Haus, das ich gesucht hatte.“
Sie mochte eine zarte Person sein, aber sie besaß die Macht zu zerstören …
Marco spürte, wie von Neuem Ärger in ihm aufwallte. Er warf seinen Mantel auf die Sofalehne. „Schade, dass du nicht lange genug geblieben bist, um auch
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