JULIA ARZTROMAN Band 26
weiß auch nicht, was in mich gefahren war.“
„Probleme suchen sich irgendwann ein Ventil.“
„Kann sein.“ Amy schlüpfte in ihren Mantel und zog den Gürtel fest.
„Ich vermute, du hältst sie seit zwei Jahren unterm Deckel. Du solltest mit jemandem reden. Das hilft.“
Sie hängte sich die Tasche über die Schulter. „Redest du denn, Nick?“
„Ich bin nicht sicher, ob der Punkt an dich geht oder an mich.“ Er lachte humorlos auf. „Bei mir ist das etwas anderes. Ich bin ein Mann.“
„Auch als Frau weiß ich, dass Reden manchmal überhaupt nichts nützt. Bitte, ich möchte nicht, dass Marco etwas erfährt. Es würde alles nur komplizierter machen.“
„Er sollte Bescheid wissen. Er liebt dich.“
Die Worte versetzten ihr einen schmerzhaften Stich. „Selbst wenn es wahr wäre, es ändert nichts an den Fakten. Danke, dass du zugehört hast, Nick. Du hast schon recht, es hat mir geholfen. Ich weiß, dass ich es schaffen werde. Sobald der neue Kollege hier ist, verschwinde ich und konzentriere mich auf meine Karriere.“
„Willst du das wirklich?“
Amy zögerte, die Hand auf der Türklinke. „Nein. Aber das Leben erfüllt nun mal nicht alle Wünsche, stimmt’s?“
„Nein.“
Draußen im Flur lief sie prompt Marco in die Arme. Amy senkte den Kopf ein wenig tiefer und ging einfach weiter. „Ich bin fertig, wir sehen uns zu Hause“, rief sie ihm noch zu.
„Nicht so schnell.“ Er packte sie am Arm. „Ich habe gerade im Krankenhaus angerufen. Eddie hat Glück gehabt, es ist keine Schädelfraktur. Morgen wird er entlassen.“
„Gut, sehr gut. Seine Mutter ist bestimmt heilfroh.“ Geschäftig blickte sie auf ihre Armbanduhr. „Ich muss mich beeilen.“
„Warum?“ Ehe sie sich’s versah, umfasste er ihr Kinn, hob ihr Gesicht und fluchte leise. „Du hast geweint.“
„Nein, habe ich nicht“, versetzte sie unwirsch und wollte sich losreißen.
Vergeblich. „Deine Augen sind ganz rot.“
„Ich glaube, ich kriege eine Erkältung.“ Sie schniefte. „Um diese Jahreszeit fliegen hier überall Keime herum.“
„Von Schnupfenkeimen schwellen die Augen nicht an. Du hast geweint, Amy. Wieso?“
Der Druck seiner Finger verstärkte sich, und ihr blieb nichts anderes übrig, als ihn anzublicken. Doch statt Ärger las sie Besorgnis in seinen dunklen Augen. Plötzlich hatte sie einen Kloß im Hals.
Um Himmels willen, was war nur mit ihr los? Warum konnte sie sich nicht zusammennehmen?
Mit letzter Anstrengung entwand sie sich seinem Griff und trat einen Schritt zurück. „Mir geht es gut. Und ich freue mich sehr, dass es Eddie besser geht. Bis nachher.“ Damit wandte sie sich ab und flüchtete.
7. KAPITEL
„Sie hat geweint.“ Aufgebracht folgte Marco seinem Partner in dessen Sprechzimmer. „Du warst bei ihr. Was hast du zu ihr gesagt?“
„Darüber kann ich nicht sprechen.“
„Irrtum!“ Marco drückte die Tür mit der flachen Hand zu. „Hier geht es um meine Frau!“
„Ihr seid getrennt.“
„Sie ist meine Frau.“
„Was kümmert es dich, wenn sie sich aufregt? Die letzten zwei Jahre warst du ziemlich wütend auf sie.“
„Weil sie mich verlassen hat. Ich bin auch nur ein Mensch.“ Er fuhr sich durchs Haar. „Ja, ich war wütend. Trotzdem ist es mir nicht egal, wie es ihr geht.“
Nick nahm in seinem Sessel Platz. „Wie viel bedeutet sie dir wirklich?“
„Was soll die Frage?“
„Liebst du sie noch?“
Von der direkten Frage momentan aus dem inneren Gleichgewicht gebracht marschierte Marco quer durchs Zimmer und blieb vor einem Wandposter stehen, das vor den Gefahren des Rauchens warnte. „Ja, ich liebe sie.“ Er fuhr herum. „Und jetzt verrat mir endlich, warum sie geweint hat.“
„Unser Gespräch war vertraulich.“
„Aha, du weißt also, was los ist. Warum vertraut sie es dir an und nicht mir?“
„Weil ich ihr Arzt bin.“
„Ist sie krank?“ Das würde erklären, warum sie so blass und dünn war. Sein Zorn verrauchte augenblicklich.
„Nein.“
Erleichtert atmete er hörbar aus. „Schön, aber wenn sie nicht krank ist, warum braucht sie dann ärztlichen Rat?“
Sein Partner schwieg kurz. „Wie gut kennst du Amy?“
„Gut genug, um sie zu lieben.“ Marco rieb sich das Gesicht. „Bei Leuten, die sie nicht kennt, ist sie anfangs schüchtern, und sie redet nicht gern über ihre Gefühle. Aber hinter dieser Scheu verbirgt sich ein liebevoller Mensch, der zu großer Liebe fähig ist. Und sie liebt Kinder.“ Er stutzte. „Das
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