JULIA ARZTROMAN Band 26
Luft weg. „Stillen Sie ruhig weiter“, presste sie hervor und konzentrierte sich mühsam auf die Fakten. „Sie werden schneller müde sein als sonst. Achten Sie darauf, dass Sie regelmäßig und gesund essen und genügend Schlaf bekommen …“ Wie auf Autopilot gab sie Ratschläge und Tipps.
Als die Untersuchung beendet und die Patientin gegangen war, schloss Amy langsam hinter ihr die Tür. Sie fühlte sich ausgelaugt, seelisch und körperlich am Ende ihrer Kräfte.
Matt sank sie in ihren Sessel. Hinter ihren Lidern brannten plötzlich Tränen. Amy holte zitternd Luft und rang um Fassung. Doch es gelang ihr nicht. Sie stützte den Kopf in die Hände und fing an zu weinen. Schluchzer schüttelten sie, während ihr die Tränen heiß über die Wangen strömten.
Als sie eine Hand auf der Schulter spürte und jemand ihren Namen sagte, fuhr sie zusammen. Sie hatte nicht gehört, dass die Tür aufgegangen war.
Vor ihr stand Nick. „Amy, was ist los?“
„Nichts.“ Beschämt richtete sie sich auf, rieb sich hastig die Wangen trocken und versuchte, Haltung zu bewahren. „Entschuldige, das ist mir furchtbar peinlich. Es war eine lange Woche, ich bin ziemlich müde.“
„Müde?“ Er zog sich einen Stuhl heran. „So weint man nicht, wenn man müde ist. Hast du Depressionen?“
Ihr war mehr als jämmerlich zumute. Nick würde sich nicht mit einer fadenscheinigen Erklärung zufriedengeben. „Nick, ich bin nicht depressiv.“ Amy zerrte ein Papiertaschentuch aus der Spenderbox und putzte sich die Nase. „Ich versichere dir, dass ich mich vor den Patienten nicht so gehen lasse. Es war alles …“
„Amy“, unterbrach er sie. „Im Moment interessieren mich die Patienten nicht die Bohne. Ich mache mir Sorgen um dich.“
„Das ist nett von dir.“ Sie lächelte verlegen, zupfte das nächste Tuch hervor und schnaubte geräuschvoll aus. „Aber nicht nötig. Mir geht es gut. Wirklich.“
„Warum liegst du dann mit dem Kopf auf dem Schreibtisch und heulst dir die Seele aus dem Leib? Hat es etwas mit der Schwangerschaftsvorsorge zu tun?“
„Nein.“
Seine klugen Augen bekamen einen prüfenden Ausdruck. „Hast du ein Baby verloren, Amy?“
„Nein!“ Sie warf ihm einen ängstlichen Blick zu.
„Was ist es dann? Erzähl es mir.“
Amy war drauf und dran, sich ihm anzuvertrauen, bis ihr einfiel, dass Nick Roberts nicht die richtige Adresse wäre. Die Erkenntnis trieb ihr erneut die Tränen in die Augen. „Ich kann nicht“, stieß sie hervor. „Es wäre dir gegenüber nicht fair.“
„Also hat es mit Marco zu tun.“ Mit scharfem Verstand analysierte er die Situation. „Hast du Angst, du könntest mich in eine schwierige Position bringen, weil er mein Partner ist? Oder vertraust du mir nicht, weil du glaubst, ich würde es ihm sagen? Er hat erwähnt, dass du dich entschlossen hast, keine Kinder zu bekommen. Hat es damit etwas zu tun?“
„Bitte, frag nicht weiter nach, Nick.“
„Ich bin dein Arzt und damit an die Schweigepflicht gebunden.“
„Bist du nicht. Ich habe keinen, weil ich erst seit Kurzem wieder im Land bin.“
„Aber du brauchst einen. Kate kann sich um den Papierkram kümmern.“ Er warf ihr einen humorvollen Blick zu. „Ich suche händeringend neue Patienten. Falls du es noch nicht gemerkt haben solltest – wir haben kaum Arbeit. Amy, ich möchte wissen, weshalb du geweint hast“, fügte er sanft hinzu.
Ihr Widerstand schmolz. „Die Schwangerschaftsvorsorge fällt mir schwer.“
„Ja, das dachte ich mir. Warum?“
Sie zögerte. „Weil ich keine Kinder bekommen kann. Ich bin unfruchtbar.“
Er schwieg und nickte dann. „Jetzt wird mir einiges klar. War das der Grund, warum du dich von dem Mann, den du liebst, getrennt hast?“
„Mir blieb nichts anderes übrig.“
„Und Marco? Hätte er es nicht verdient, die Wahrheit zu erfahren?“
„Kritisier mich nicht, Nick!“ Amy schoss aus ihrem Sessel hoch und lief im Zimmer auf und ab. Sich fröstelnd die Arme reibend blieb sie schließlich stehen. „Ich habe getan, was getan werden musste.“
„Bist du sicher, dass du keine Kinder bekommen kannst?“
„Ich war in einer Spezialklinik in Exeter. Die Tests waren eindeutig.“
„Inwiefern?“
„Endometriose. Zwar nur in leichter Form, aber die Vernarbungen reichen, um eine Empfängnis zu verhindern. Die Ärztin meinte, meine Eileiter seien total verklebt.“
„Unfruchtbarkeit ist ein ziemlich weites Feld. Kein Arzt könnte mit hundertprozentiger Sicherheit
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