JULIA ARZTROMAN Band 26
dachte ich jedenfalls. Worauf willst du eigentlich hinaus?“
„Was weißt du über ihre Kindheit, ihre Herkunft?“
„Nicht viel. Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht.“ Ein wachsamer Ausdruck trat in seine Augen. „Meinst du, es ist wichtig?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete Nick nachdenklich. „Schon möglich. Vielleicht findest du dann die Antworten, die du suchst.“
„Das ist alles? Mehr kannst du mir nicht sagen?“
„Bedaure.“ Nick griff zur nächsten Patientenakte. „Im Grunde hätte ich dir nicht mal diesen Tipp geben dürfen.“
Amy duschte heiß, aber das Zittern wollte nicht aufhören. Rasch rubbelte sie sich trocken und schlüpfte in Jeans und einen dicken Pullover.
Ihre Tränen waren inzwischen versiegt, doch dafür hatte sie jetzt Kopfschmerzen. Draußen toste heulend der Wind ums Haus. Sie hatte die Dorfbewohner sagen hören, dass es wieder schneien würde.
Bibbernd schlich sie hinunter in die Küche, um sich einen Tee zu kochen. Da hörte sie den Maserati. Marco kam nach Hause.
Das bedeutete weitere Fragen.
Sie überlegte noch, ob sie nach oben laufen und sich im Gästezimmer einschließen sollte, da drehte sich der Schlüssel in der Haustür.
Gleich darauf stand Marco in der Küche.
„Es ist eisig draußen, und der Wind …“ Seine breiten Schultern zuckten, als er den Rest des Satzes schaudernd in der Luft hängen ließ. „Für Silvester war ein Feuerwerk geplant, aber bei dem Wind ist das zu gefährlich.“
Amy ertappte sich dabei, wie sie auf seinen Mund starrte. Dunkle Bartstoppeln bedeckten Marcos Kinn und seine Wangen, was ihm etwas Draufgängerisches verlieh. Rasch wandte sie sich ab. „Es wäre ein Jammer, wenn es ausfallen würde. Als Kind habe ich den Silvesterabend kaum erwarten können. Für mich war es einer der Höhepunkt des Jahres.“
Er griff nach einer Weinflasche. „Du hast bei deiner Großmutter gewohnt?“
„Ja.“
„Im Cottage? Ich habe mich oft gefragt, warum du es verkauft hast.“
„Für uns beide wäre es zu klein gewesen.“
„ Sì , aber ich dachte, du hängst daran.“ Kraftvoll zog er den Korken aus der Flasche und nahm sich ein Glas. „Wein?“
„Nein danke.“
„Du siehst müde aus.“ Marco sah ihr forschend in die Augen. Dann senkte er den Blick und schenkte sein Weinglas halb voll.
Ihr Herz hämmerte, und die Sehnsucht, ihn zu berühren und sich in seine Arme zu schmiegen, wurde unerträglich. Hoffentlich merkte er nicht, wie verwirrt sie war. Als sie herkam, war sie fest entschlossen gewesen, ein kurzes Gespräch zu führen und mit den unterschriebenen Scheidungspapieren in der Tasche wieder abzureisen. Und jetzt? Zwischen dem, was sie tun musste, und dem, was sie tun wollte, lag ein himmelweiter Unterschied!
„Das Haus deiner Großmutter … verbindest du viele Erinnerungen damit?“
Viele, ja, aber nicht alle waren schön. „Ich wollte es nicht behalten.“
„Du bist ganz angespannt“, meinte er sanft. „Ist irgendetwas?“
Die Küche schien geschrumpft, seit er hier aufgetaucht war. Groß und dunkel beherrschte er den Raum. Sie konnte ihn nicht ignorieren. Das war ihr Problem.
„Amy.“ Er trat zu ihr und strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. „Hast du Kopfschmerzen?“
Es war verrückt, aber allein die Berührung seiner Fingerspitzen genügte, um ihren Körper in Flammen zu setzen. Unwillkürlich hob sie den Blick, und es durchrieselte sie heiß. In Marcos Augen brannte ein Feuer, das sie überall auf der Haut spürte.
Ängstlich darauf bedacht, nicht zu viel zu verraten, wich sie zurück. „Ja, ein bisschen. Hast du Paracetamol im Haus?“
Er hielt ihren Blick fest. „Leg dich aufs Sofa. Ich bringe dir etwas.“
Froh darüber, auf Abstand gehen zu können, tat sie, was er sagte. Kurz darauf erschien er wieder, ein Glas Wasser und das Medikament in der Hand.
„Danke.“ Das schmerzhafte Pochen hinter den Schläfen hatte noch zugenommen. Amy spülte die Tabletten rasch hinunter und ließ den Kopf gegen die Lehne sinken. „Entschuldige bitte, aber ich hatte einen langen Tag.“
„Kann ich mir vorstellen.“ Er nahm ihr das Glas ab und ging hinter das Sofa.
Als Nächstes spürte sie seine Hände im Haar. „Marco …“
„Bleib liegen, es wird dir guttun“, murmelte er, während er mit kreisenden Bewegungen ihre Kopfhaut massierte. „Ich weiß noch, dass du früher oft Kopfschmerzen hattest.“
„Wie der kleine Harry, der Ärmste. Das wünsche ich niemandem.“ Eine
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