Julia Bestseller Band 142
ihr verbringen? Er sollte doch erleichtert sein, dass ihre schmutzigen Geschäfte aufgeflogen waren, und sie einfach stehen lassen. Morgen früh wäre sie für immer aus seinem Leben verschwunden.
Allerdings würde es nicht leicht werden, sie zu vergessen. In jenem Kuss im Regenwald hatte mehr gelegen als die Lust zweier Erwachsener. Viel mehr.
Selbst jetzt noch spürte er es, eine unsichtbare Kraft, die sie miteinander verband. Grace musste es auch wahrgenommen haben, denn sie machte eine nervöse Geste und wich zurück.
„Vielleicht sollte ich alleine in meinem Zimmer essen. Trotzdem wäre ich dankbar, wenn ich ein Telefon benutzen könnte.“
„Es gibt einen Apparat in deinem Zimmer. Aber du wirst mit mir zusammen zu Abend essen.“
Sie entgegnete nichts. Irritiert überlegte Rafael, ob sie nur einfach zu müde zum Streiten war. Irgendwie wirkte sie … besiegt?
Und das ist gut so, dachte er und rieb sich den Nacken, um sich daran zu hindern, sie zu berühren. Wenn ihr Bedauern und ihre Reue aufrichtig waren, würde es sie vielleicht davon abhalten, noch einmal jemanden zu betrügen.
Grace legte den Hörer auf die Gabel und ließ sich aufs Bett fallen.
Nichts.
Niemand.
Ihr Vater war auf Geschäftsreise, genau wie der Bankmanager, der ihr geholfen hatte, die Expansionspläne für die Cafés zu erstellen. Sie hatte sogar versucht, den Kaffeehändler anzurufen, aber nur einen Anrufbeantworter erreicht.
So leicht würde sie also keine Antworten auf ihre Fragen bekommen. Sie musste zurück nach London und die Person aufspüren, die sich auf Kosten von Café Brazil bereicherte.
Aber London war elf Flugstunden von Rio entfernt, und sie befand sich immer noch mitten im Regenwald. Außerdem lag ein ganzer Abend mit einem Mann vor ihr, der jeden Grund hatte, sie für ein Miststück zu halten.
Er forderte sein Geld nicht deshalb zurück, weil er mehr Profit wollte. Nein, Rafael bestrafte sie, da sie Carlos und Filomena hintergangen hatte. Es war offensichtlich, dass er den beiden sehr zugetan war, und dieses Wissen freute sie. Also steckte ein guter Kern in ihm … wenn man es auf sich nahm, lange genug danach zu suchen, fand man ihn.
Allerdings half das ihrer Firma auch nicht weiter.
Alles, was sie aufgebaut hatte, drohte zu Staub zu zerfallen. Sie hätte es wissen müssen. Sie hätte die falschen Zahlen entdecken müssen. Nur bestand überhaupt nicht die Möglichkeit, dass sie ihr jemals aufgefallen wären.
Sollte sie Rafael die Wahrheit sagen?
Aber was hatte das für einen Sinn? Egal, was sie jetzt vorbrachte, in seinen Ohren klang es wie eine billige Ausrede. Für Erklärungen war es zu spät. Viel zu spät.
Am liebsten hätte sie geweint, doch die Tränen wollten nicht kommen. Stattdessen lag sie wie betäubt auf dem Bett, starrte an die Decke und überlegte, was sie jetzt tun sollte. Sobald die in ihr brodelnden Gefühle sie überwältigten, konnte Grace nicht länger still liegen bleiben.
Wut und Verwirrung stiegen in ihr auf, Grace fühlte sich verloren und hatte Angst. Am meisten jedoch sehnte sie sich nach Antworten. Sie wollte wissen, wer ihr das angetan hatte.
Nachdem sie vom Bett aufgesprungen war, lief sie unruhig im Zimmer umher. Draußen sangen die Vögel, und die Affen kreischten in den Bäumen.
Auf einmal verspürte sie den dringenden Wunsch, wieder dort draußen zu sein. In dem beruhigenden grünen Dschungel schienen das Großstadtleben und die Firmenprobleme weit weg zu sein.
Ihr fiel ein, dass Maria etwas von einem Pool im Regenwald erzählt hatte. Sagte man nicht, sportliche Betätigung eigne sich wunderbar, um Spannungen abzubauen? Dann würde Grace also schwimmen gehen. Vielleicht war sie anschließend ruhig genug, um ein Abendessen mit Rafael Cordeiro zu überstehen.
Wenn sie Themen wie Geld, Sex, Liebe oder Ehe ausklammerten, könnten sie einen gesitteten Abend verbringen.
Entschlossen schlüpfte Grace in ihren roten Badeanzug und zog das Leinenkleid darüber. Darauf muss ich gut aufpassen, ermahnte sie sich, sonst habe ich zum Essen nichts anzuziehen.
Rasch holte sie noch ein Handtuch aus dem Badezimmer und schrieb sich einige Worte auf die Handflächen. Wenig später machte sie sich auf den Weg nach unten und, weil sie ihrem Gedächtnis nicht traute, auf die Suche nach Maria.
Die Haushälterin war in der Küche und bereitete verschiedene exotische Gemüsesorten zu. Dennoch war Maria sofort bereit, eine Pause einzulegen und Grace zum Pool zu begleiten.
Grace blickte
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