Julia Bestseller Band 142
könnte sie es übergehen?
„Du musst mich für einen schrecklichen Menschen halten“, meinte sie, einem plötzlichen Impuls nachgebend, und nahm ebenfalls Platz. „Geld von Leuten wie Carlos und Filomena zu stehlen. Ich weiß, dass ich in gewisser Hinsicht schuldig bin, weil es meine Firma ist. Trotzdem versichere ich dir, ich habe nichts davon gewusst. Das musst du mir glauben.“
Regungslos saß er da und musterte sie eindringlich. Er ähnelte dabei einem Raubtier, das nur auf den richtigen Moment wartet, um zuzuschlagen. „Ich glaube dir.“
„Wirklich?“ Seine tiefe samtige Stimme wirkte zwar wie Balsam auf ihr geschwächtes Nervenkostüm. Aber das war nicht die Antwort, die Grace erwartet hatte. Sie konnte weder ihre Überraschung noch die Erleichterung verbergen. „Meinst du das ernst? Ich weiß immer noch nicht, wer dafür verantwortlich ist. Allerdings werde ich es herausfinden. In Zukunft werde ich die Bücher besser kontrollieren. Es hätte mir auffallen müssen, ich weiß, nur …“
„Nur wenn man im Alltagsgeschäft eingespannt ist, verliert man leicht den Überblick über die Ausgaben“, beendete er ihren Satz. Seine dunklen Augen schimmerten warm und mitfühlend.
„Ja.“ Eigentlich war es etwas anders abgelaufen, kam der Wahrheit jedoch sehr nahe. Und er schien Verständnis zu haben. Offensichtlich hatte er die Zeit bis zum Abendessen genutzt, um noch einmal über alles nachzudenken.
Er betrachtete sie jetzt mit fast zärtlichem Blick, unter dem sie sich sofort entspannte. „Ich denke, wir sollten die ganze Episode hinter uns lassen.“ Seine Stimme verhieß pure Erotik. Die sanft geschwungenen Lippen seines perfekten Mundes fesselten Grace’ Aufmerksamkeit. Es war unmöglich, sich nicht an den Kuss zu erinnern … An das heiße Brennen seiner Lippen auf ihren, das leidenschaftliche Tänzeln seiner Zunge und das Gefühl seiner Hände auf den Brüsten.
Alles in ihr schien zu neuem Leben zu erwachen. Verlegen blinzelnd schüttelte sie den Kopf, um die verstörenden Vorstellungen zu vertreiben. Es hatte keinen Sinn, in dummen mädchenhaften Erinnerungen zu schwelgen. Rafael war nicht der richtige Mann für sie, und eine leidenschaftliche Begegnung im Dschungel änderte nichts daran.
Ihre und seine Welt passten nicht zusammen.
„Ich habe mich noch gar nicht für das Kleid bedankt. Es ist wunderschön und passt perfekt … gerade noch.“ Sie sprach in beschwingtem Tonfall und bedankte sich mit einem Lächeln bei Maria, die gerade einen Drink servierte. „Ich kann mir nicht vorstellen, warum jemand etwas so Schönes zurücklässt.“
„Die Besitzerin hatte es sehr eilig, von hier fortzukommen. Ich meine mich zu erinnern, dass ihr das Dschungelleben nicht zusagte.“
Seine Stimme klang sanft, gab aber nichts von seinen Gefühlen preis. Dennoch wusste Grace ohne den geringsten Zweifel, dass nicht das Leben im Dschungel die Besitzerin des Kleides in die Flucht geschlagen hatte – sondern das Leben mit Rafael Cordeiro. Offensichtlich war sie abgereist, ohne sich lange mit Packen aufzuhalten.
Wieso sitze ich dann immer noch hier, wenn ich all das weiß, fragte sich Grace. Warum ließ sie sich in eine gefährlich prickelnde Stimmung versetzen? Und aus welchem Grund erlaubte sie ihm, sie mit der Intimität seines Blickes zu verzaubern? Wie viel war sie bereit, zu riskieren?
Ihre Selbstachtung?
Ein Leben in Schmerzen für einen Moment des Vergnügens?
Ihr Herz?
Abrupt schob sie die Fragen beiseite. „Du bist ein komplizierter Mann, Rafael.“ Sie nippte an ihrem Glas. „Kalt und heiß zugleich. Du behauptest, Menschen nicht zu mögen, und trotzdem hast du einen liebenswerten Kern, das weiß ich.“
„Verwandle mich nicht in etwas Weiches und Kuscheliges, Grace“, warnte er.
Unwillkürlich musste sie bei der Vorstellung lächeln. Einem Teddybären ähnelte er nicht im Entferntesten. „Nein, niemals. Aber du behandelst Carlos und Filomena mit Respekt und Wärme. Und sie sind dir wichtig, sonst wärst du nicht so wütend auf mich.“
Spott blitzte in seinen Augen auf. „Ich bin ein Heiliger. Ich bin sicher, das hast du schon von mir gehört.“
„Ich gebe nichts auf Gerüchte. Ich ziehe es vor, mir eine eigene Meinung zu bilden.“
„Eine Frau, die nicht gerne klatscht und tratscht?“ Er hob das Glas und prostete ihr zu. „Bist du eine Verräterin an deinem Geschlecht, Grace?“
„Nein. Ich weiß bloß, dass Äußerlichkeiten täuschen können. Menschen fällen
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