Julia Bestseller Band 144
der Nacht aneinander vorbeifahren?“
Beth zuckte betont gleichgültig die Schultern. „Es lag immer im Bereich des Möglichen.“
Er nickte nachdenklich. „Du hast die vergangene Nacht zu einem Wettstreit werden lassen.“
„Habe ich das?“ Sie hielt seinem Blick spöttisch stand. „Oder du?“
Seine Augen wurden schmal. „Warum habe ich das Gefühl, dass an dieser Begegnung mehr ist, als du zugibst?“
„Warum machst du dir deswegen Gedanken?“, entgegnete sie betont locker. „Du hast den Wettstreit gewonnen. Du hast mich nicht an dich herangelassen, hast immer die Oberhand behalten.“
„Wenn du gehst, habe ich verloren“, erklärte er mit verblüffender Bestimmtheit.
„Nun, ich bin sicher, es gibt genügend Frauen, mit denen du genauso großartigen Sex haben kannst“, erwiderte sie skeptisch.
„Nein. Es war der geistige Wettstreit. Etwas … ganz anderes.“ Er zögerte, schien sich vorsichtig auf unbekanntem Terrain vorzutasten. „Ich glaube, ich habe sehr lange nach jemandem wie dir gesucht.“
Die Ironie dieser Worte traf sie tief. „Nein, das hast du nicht!“, entgegnete sie heftig.
„Sollte ich das nicht besser beurteilen können?“
„Wenn du wirklich gesucht hättest, hättest du mich lange vorher gefunden.“
Ihr verächtlicher Ton ließ ihn aufhorchen. „Vielleicht bin ich blind gewesen?“
„Nein.“ Ihre Verbitterung angesichts ihrer hoffnungslosen Niederlage machte sich Luft, ehe Beth es verhindern konnte. „Du warst zu sehr damit beschäftigt, Jim Neilson zu sein. Ich glaube, du wirst nie mehr ein anderer als Jim Neilson sein. Ich gehe, weil ich nicht nach Jim Neilson gesucht habe und nicht zu Jim Neilsons Welt gehöre. Habe ich damit deinen Namen oft genug erwähnt?“
„Wen hast du gesucht?“, fragte er sofort, womit er unfehlbar den Kern ihrer Aussage ansprach.
Diese Auseinandersetzung war so sinnlos. Beth begegnete müde und resigniert Jim Neilsons hellwachem Blick, aus dem die aggressive Energie des Eroberers sprach, der entschlossen war, einen weiteren Gipfel zu erklimmen. Sie aber hatte ihren Berg bestiegen und stand im Begriff, in das Tal zurückzukehren, das er hinter sich gelassen hatte.
„Wer bist du?“, fragte er nun scharf und kam direkt auf sie zu. Offenbar war er nicht gewillt, sie gehen zu lassen, solange er noch nicht zufrieden war.
Beth verspürte große Lust, ihn zu ohrfeigen. Die tiefe Enttäuschung, die Jahre der Ungewissheit, der ebenso verzweifelte wie vergebliche Versuch in der vergangenen Nacht, zu ihm vorzudringen … Urplötzlich verspürte sie den brennenden Wunsch, ihm irgendeine Form des Wiedererkennens abzuringen, auch wenn er es hassen würde.
„Ich bin Beth Delaney“, sagte sie heftig. Er blieb wie vom Donner gerührt stehen, und Beth sah ihm mit Genugtuung an, dass er sie doch nicht ganz vergessen hatte. „Ich kam hierher, um Jamie zu finden.“
Er begegnete ihrem herausfordernden Blick mit versteinerter Miene.
„Jamie versprach mir einmal, er würde zu mir kommen, sobald es ihm möglich wäre. Aber er kam nie. Nicht ein Mal in fünfzehn Jahren. Gestern Abend bot sich mir die Gelegenheit, ihn aufzusuchen. Doch Jamie war nicht mehr da. Ich fand nur noch Jim Neilson.“
Er presste die Lippen zusammen.
„Jetzt ist es Zeit für Beth Delaney, ebenfalls zu gehen“, fuhr Beth traurig fort. „Es ist nichts mehr von dem da, was einmal war. Ich hatte das schon vermutet, aber ich wollte mich persönlich davon überzeugen. Das ist alles.“
Sie wandte sich zum Gehen. Nichts konnte sie hier mehr halten. Jim Neilson würde nur zu erleichtert sein, sie verschwinden zu sehen, einen Geist aus der Vergangenheit, an den er nicht erinnert werden wollte.
„Warte!“
Der knappe Befehl traf sie wie ein Peitschenhieb. Völlig unerwartet, unverständlich in seiner scheinbaren Sinnlosigkeit. Beth riss sich zusammen und schaute noch einmal zu Jim Neilson zurück … ohne sich ganz umzudrehen, denn die Richtung ihres Wegs stand unwiderruflich fest.
Jim hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Seine Miene, seine ganze Haltung verrieten eine ungeheure innere Anspannung. Er kämpft gegen sich selbst, dachte Beth. Seine dunklen Augen glühten.
„Wo kommst du her?“, fragte er schroff.
„Aus Melbourne. Du erinnerst dich vielleicht, dass meine Familie dorthin zog, nachdem die Bank unsere Farm zwangsversteigert hatte“, fügte sie ironisch hinzu.
Ihre Worte zeigten keine sichtbare Wirkung. Jim Neilson hatte sich bereits wieder hinter
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