Julia Bestseller Band 145
weiß nicht viel über Amnesie, aber ich glaube nicht, dass sie normalerweise allzu lang anhält.“
„Sie hat bereits zu lange angehalten“, versuchte sie zu scherzen, auch wenn ihr gar nicht danach zumute war.
„Wir stehen das gemeinsam durch, habiba . Gib dem Ganzen ein wenig Zeit, und dann wird deine Erinnerung sicherlich zurückkehren.“
„Warum nennst du mich so? Habiba . Du sagtest doch, mein Name wäre Grace. Grace Hudson.“
„ Habiba ist … einfach ein Spitzname in meiner Sprache. Er hat keine wirkliche Bedeutung.“
Salim erwartete, dass seine Nase wachsen würde. Seine Worte waren eine glatte Lüge. Habiba bedeutete Liebling. Sweetheart. Liebste. Früher hatte er den Kosenamen benutzt, weil sie zu ihm gehörte. Seit gestern tat er es nur aus Sarkasmus. Jetzt … jetzt wusste er nicht, warum er sie so nannte, nur, dass es ihm ganz leicht über die Lippen ging.
„Und dein Name ist Salim. Salim und wie weiter?“
Irgendwie schien es weder die richtige Zeit noch der richtige Ort, um seinen Titel zu benutzen. Es war beinahe, als wären sie sich nie zuvor begegnet.
„Salim al Taj.“ Er ergriff ihre Hand und führte sie an seine Lippen. „Nett, dich kennenzulernen, Grace Hudson.“
Sie lächelte, ganz so, wie er es gehofft hatte. „Es ist auch nett, dich kennenzulernen.“
Eine Seebrise zerzauste ihr Haar. Es war zu einer wilden Lockenmähne getrocknet. Ohne darüber nachzudenken, streckte Salim eine Hand aus und wickelte sich eine seidige Strähne leicht um den Finger. Der Rest von ihr, genauso wie er selbst, war immer noch nass, und die Wunde an ihrer Schläfe leuchtete mittlerweile in einem Violettrot, das vermutlich nicht mal Gauguin so hinbekommen hätte.
Sie war nicht die elegante Grace, die in New York seine Geliebte gewesen war, aber sie war schön. Unglaublich schön. Dann noch die Art, wie sie ihn anlächelte, ohne Groll, ohne Kälte oder Arglist …
Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, weil er daran dachte, wie es einst zwischen ihnen gewesen war.
Salim überlegte nicht, er plante nicht, er zog sie einfach an sich, beugte den Kopf und streifte sanft ihre Lippen.
„Es wird alles gut werden, habiba “, flüsterte er, und zum ersten Mal seit Monaten fühlte sich das Kosewort absolut richtig an.
Grace wollte nicht am Strand warten, während er die Insel erkundete.
Wollte nicht? Salim hätte beinahe gelacht.
Sie weigerte sich rundheraus. Und das war gut. Er nahm es als Zeichen, dass seine Grace zurück war – nun, nicht seine Grace, das nicht. So würde er nie wieder von ihr denken, aber die Grace, von der er wusste, dass sie niemals den leichten Weg wählte.
„Also?“
Er blinzelte. Grace stand ungeduldig vor ihm – ihre ganze Haltung drückte Trotz aus.
„Ich bleibe nicht hier, während du davonmarschierst und … und dich von Kannibalen attackieren lässt!“
Diesmal lachte er wirklich.
„Es ist wahrscheinlicher, dass ich von Sandflöhen attackiert werde. Pass auf, es könnte sehr gut sein, dass du eine Gehirnerschütterung hast.“
„Davon, dass ich dich begleite, wird sie nicht schlimmer werden.“
Vermutlich nicht. Vielleicht war es wirklich keine besonders gute Idee, sie allein zu lassen. Was er über Amnesie wusste, war nicht viel. Besser, er behielt sie im Auge. Außerdem gingen sie ohnehin nicht sonderlich weit. Die Sonne würde schon bald untergehen. Von jetzt auf gleich würde die Welt in Dunkelheit versinken – so war es in den Tropen üblich.
Er schätzte, dass ihnen vielleicht noch eine halbe Stunde blieb.
Ein paar Meter von ihnen entfernt entdeckte er einen großen Ast im Sand. Er sah hart und trocken aus. Salim schnappte ihn sich.
„Bleib direkt hinter mir“, wies er Grace an. „Das Gebüsch ist ganz schön dicht. Ein Schritt in die falsche Richtung, und ich brauche bis zum nächsten Morgen, um dich zu finden.“
Sie nickte. Ihre Augen schimmerten vor Erwartung.
„Mach dir um mich keine Sorgen“, winkte sie tapfer ab, und, verdammt noch mal, da konnte er nicht anders und küsste sie erneut. Das war wirklich die Grace, wie er sie kannte. Die Grace, die er … die er so lieb gewonnen hatte, doch das lag natürlich weit zurück.
Nach ein paar Schritten befanden sie sich tief im Gebüsch. Noch ein paar Meter weiter, und sie wurden von einem dunkelgrünen Dschungel verschluckt. Salim benutzte seine improvisierte Machete, indem er Zweige und Äste zur Seite schlug, die ihnen den Weg versperrten, doch die Dunkelheit fiel hier
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