Julia Bestseller Band 145
erzählen, wie es gewesen war, als kleiner Junge einen wahren Albtraum zu erleben?
„Mir gehört eine private Investment-Firma.“
Grace hob eine Augenbraue. „Privat heißt, dass sie dir allein gehört?“
„Privat heißt, dass ein Teil mir und meiner Familie gehört und der andere Teil meinem Volk.“
„Dein Volk. Ja. Das hätte ich beinahe vergessen. Du hast gesagt, du bist ein Prinz.“
„Das stimmt.“ Er lächelte. „Und nein, ich sitze nicht auf einem Thron, und ich trage keine Krone.“
„Was tust du dann?“
Sein Lächeln verblasste. „Ich bereite mich auf den Tag vor, an dem ich zum Führer meines Volkes werde.“
Sie trat vor ihn, legte ihre Hände auf seine Schultern, und sie blieben beide stehen.
„Das klingt nach sehr viel Verantwortung“, bemerkte sie sanft.
Salim nickte. „Ja.“
„War deine Kindheit auch so ernst? Privatlehrer? Internate? Keine Zeit, zu spielen und ein kleiner Junge zu sein?“
Am liebsten hätte er sie in seine Arme gerissen. Niemand, in seinem ganzen Leben, hatte ihn je gefragt, wie seine Kindheit ausgesehen oder welche Auswirkungen sie auf ihn gehabt hatte.
„Meine Kindheit war sehr hart“, antwortete er, und ehe er sich versah, erzählte er ihr alles.
Der furchtbare Kampf zwischen Tradition und Moderne, der unweigerlich zum Bürgerkrieg geführt hatte. Die Flucht in die Wüste, der Kampf ums Überleben dort, der Tod seines Onkels und seiner Cousins, ehe die Anhänger seines Vaters endlich das Land unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Er sprach über seine Einsamkeit. Die Angst eines Kindes, das zu früh mit den Realitäten des Lebens konfrontiert wurde, und dann der erschütternde Moment in Harvard, als ihm klar wurde, dass er ein Fremder in einem fremden Land war. Er redete von den zwei jungen Prinzen, mit denen er sich anfreundete und dass sie für ihn zu den Brüdern geworden waren, die er sich immer gewünscht hatte. Schließlich erzählte er ihr sogar von seinem Plan, das Geld, das die Ölfelder in Senahdar brachten, zu nutzen, um seinem Volk bessere Lebensbedingungen zu verschaffen.
Und dann schwieg er – fassungslos, weil ihm all das so einfach über die Lippen gegangen war. Nur widerwillig schaute er zu Grace hinüber, denn er war sich sicher, was er in ihren Augen sehen würde.
Er hatte die glatte Fassade westlicher Kultiviertheit abgelegt und ihr gezeigt, wie der Mann darunter wirklich aussah, und darüber würde sie entsetzt sein; sein wahres Ich würde sie schockieren …
„Oh, Salim“, flüsterte sie.
Dann ging sie auf die Zehenspitzen, umfasste sein Gesicht, zog seinen Kopf zu sich herunter und küsste ihn, wie er noch nie im Leben geküsst worden war – voller Zärtlichkeit und Mitgefühl und mit der absoluten Akzeptanz dessen, was er war.
„Du bist ein wundervoller Mann“, sagte sie mit Tränen in den Augen. „Kein Wunder, dass ich … kein Wunder, dass ich … dass ich so tiefe Gefühle für dich hatte.“ Sie holte zitternd Luft. „Denn die hatte ich doch, oder?“
Salim umfasste ihre Schultern und zog sie an sich. „Wir hatten beide tiefe Gefühle füreinander, habiba “, gestand er heiser, „nur dass ich ein Narr war, der es nicht zugeben wollte.“
Grace nickte. Das hatte sie bereits geahnt – dass ihre Beziehung unausgewogen gewesen war.
„Wie haben wir uns kennengelernt?“
Bestimmend griff er nach ihrer Hand und führte sie in Richtung Haus. Sie waren lange gegangen. Die Sonne begann bereits unterzugehen.
„Ich habe dich in meiner Firma eingestellt.“
„Als was?“
Er hob ihre Hand an seine Lippen und küsste sie. „Du warst die Assistentin meines CFO. Meines Chief Fin…“
„Chief Financial Officer.“ Sie runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht, woher ich diesen Titel kenne, aber ich tue es.“ Ihr Gesicht hellte sich auf. „Glaubst du, dass meine Erinnerung zurückkehrt? Ich meine … ich fange an, mich an andere Dinge zu erinnern. Dinge von früher. Wie diese Geschichte mit den Pfadfindern. Und … und dass ich in einem Restaurant gearbeitet habe, wo ich Hamburger gegrillt habe …“
„Du hast Hamburger gegrillt?“
Als sie zu ihm hochschaute, musste sie über seinen erstaunten Gesichtsausdruck lachen. „Ich glaube schon. Hast du das nicht von mir gewusst?“
Salim schüttelte den Kopf. „Nein, habiba “, antwortete er sanft. „Wir … wir haben nicht wirklich viel über unser Leben geredet.“
„Nicht?“
Wieder schüttelte er den Kopf. „Aber das werden wir, Grace, ich
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