Julia Bestseller Band 146
nicht erwähnen wollen. „Sie … sie liebt dich.“
„Wunderbar. Alle lieben mich.“ Er ließ die Tasche fallen und hob frustriert die Arme. „Und was soll ich jetzt dazu sagen, Cristina? ‚Oh, na dann ist es ja in Ordnung, wenn du mir einen Tritt versetzt‘?“
„Schrei mich nicht an!“, verbot sie sich schrill. „Ich muss dir etwas sagen, und es fällt mir sehr schwer!“
„So? Was denn?“ Er würde es ihr nicht leichter machen. „Dass du das alles nur zu meinem Besten getan hast?“
„Als du vor sechs Jahren zur Beerdigung deines Vaters abflogst, war ich schwanger. Mit deinem Kind.“
10. KAPITEL
Das quälende Geständnis kam in dem Moment über ihre Lippen, als der erste Blitz über den düsteren Himmel zuckte. Anton stand regungslos da, während das Licht um ihn herum rapide schwand.
Cristina zitterte jetzt wie Espenlaub, hatte die Arme um sich geschlungen, als müsse sie Halt finden, starrte mit vor innerer Qual verzerrtem Gesicht vor sich hin, ohne Luis ansehen zu können.
„Schwanger?“, stieß er schließlich hart aus. „Du warst schwanger mit unserem Kind und hast mir nichts davon gesagt?“
„Da wusste ich es noch nicht.“ Cristina kämpfte, um die Tränen zurückzuhalten. „Ich fand es erst später heraus, als du schon fort warst.“
Es war so wunderbar gewesen. Sie liebte Luis, und sie trug sein Kind unter dem Herzen, dachte, er würde zu ihr zurückkommen, und dann würden sie …
„Ich wollte es dir am Telefon sagen, doch du trauertest um deinen Vater und bereitetest dich darauf vor, in seine Fußstapfen zu treten, deshalb wollte ich warten, bis du zurück warst in Rio, doch … Ich verlor das Baby, noch bevor du wieder bei mir warst.“
„Wie ist es passiert?“, fragte er rau.
„Ich arbeitete in dem Café, als … als ich dieses Ziehen spürte. Und das Nächste, was ich wahrnahm, war, dass ich in einem Notarztwagen lag, auf dem Weg ins Krankenhaus. Ich hatte solche Angst, und du warst nicht da …“
Anton hörte ihr mit geschlossenen Augen zu.
„Man ließ mich wissen, dass man um mein Leben fürchtete. Es war eine Bauchhöhlenschwangerschaft, und sie sagten mir, wenn sie … wenn sie es nicht entfernten, dann würde ich …“ Sie brach ab und schluckte. Es war zu viel. Anton kam zu ihr und wollte sie in seine Arme ziehen, doch Cristina wich ihm aus. Sie musste sich der Erinnerung allein stellen, so, wie sie damals allein gewesen war. Es war alles so schnell gegangen. In der einen Minute freute sie sich noch auf Luis’ wunderschönes Baby, und in der nächsten … Sie wehrte seine Hände ab. „Als ich aufwachte, war alles vorbei“, fuhr sie fort. „Sie sagten mir, dass … dass es Komplikationen gegeben habe. Sie hatten viel herausschneiden müssen. Und ich würde nie wieder Kinder bekommen können.“
„Um Himmels willen …“
„Mein Vater kam in die Klinik.“ Cristina hielt den Blick starr auf ihre nackten Füße gerichtet. „Man hatte ihn gerufen. Er …“
Hatte neben ihrem Bett gestanden wie ein dunkler Racheengel, hatte nichts als Abscheu und Verachtung für sie übrig gehabt. Weil sie Schmach und Schande über den Namen Marques gebracht hatte.
„Ihn interessierte nur, welchen Nutzen ich noch für ihn hatte, nun, da ich keinen Sohn mehr gebären konnte, dem er Santa Rosa vererben würde. Er …“ Sie musste schlucken. „Er verhöhnte mich, welcher Mann wohl eine unfruchtbare Frau haben wolle.“
„Oh nein!“, entfuhr es Anton entsetzt. „Was für ein Mann war er nur!“
„Ein verzweifelter“, antwortete Cristina. „Schon damals steckte Santa Rosa tief in Schulden. Als Ausweg wollte er mich mit irgendeinem Mann verheiraten, der gewillt war, gut für diese Ehre zu zahlen. Ich lief davon, als er begann, mich einer endlosen Reihe von Kandidaten vorzuführen. Und traf dich, lebte mit dir, wurde schwanger von dir, und …“
Den Rest ließ sie ungesagt. Luis war Brasilianer genug, um zu verstehen. In dem archaischen Gesellschaftssystem konnte eine folgsame Jungfrau einen hohen Preis auf dem Heiratsmarkt erzielen. Eine unfruchtbare Frau dagegen war absolut wertlos.
Ein Blitz erhellte das Zimmer. Cristina schlang die Arme noch enger um sich. „Bei seinem nächsten Besuch brachte Vater Vaasco mit. Vaasco war bereit, eine großzügige Summe für Santa Rosa aufzubringen, wenn ich ihn heiratete.“
„Und du hast so einfach Ja gesagt?“
„Nein!“ Zum ersten Mal schaute sie ihn an. Er wirkte bleich in dem dunklen Zimmer, schockiert …
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