Julia Bestseller Band 146
und verließ den Raum, zog die Tür leise hinter sich ins Schloss.
Sobald sie auf dem Gang stand, floh sie regelrecht die Treppe hinunter, durch die Halle und in die Küche. Sie erlaubte es sich nicht, darüber nachzudenken, warum sie fühlte, wie sie fühlte, hielt sich verzweifelt beschäftigt und holte ein Tablett hervor, auf das sie frisch gebackenes Brot, selbst gemachte Marmelade und eisgekühlte Limonade stellte. Im letzten Moment eilte sie noch hinunter in den Weinkeller ihres Vaters und griff wahllos eine Flasche aus den Regalen, stellte sie zusammen mit zwei Gläsern und einem Korkenzieher dazu.
Bedauernswert, jämmerlich, traurig, warf sie sich selbst in Gedanken vor, nahm das Tablett auf und ging zurück zur Treppe.
Anton machte Ähnliches durch. Bei ihm äußerte sich der Gefühlstumult allerdings in Rage. Er stand in dem Zimmer und schaute sich um.
Wie lange lebte sie schon in diesem Mausoleum? Wie ein Hausgeist, der durch die Gänge schlich. Wie konnte sie das hier einem erfüllten Leben mit ihm vorziehen?
Er riss sich das verschwitzte Hemd vom Körper, wischte sich damit den Schweiß vom Gesicht und ließ es auf den verblichenen Perserteppich fallen, der einst ein Vermögen wert gewesen sein musste.
Jetzt war er nichts mehr wert. Genauso wenig wie die zerschlissenen Satinvorhänge an den Fenstern und die Tagesdecke auf dem Bett – alles in diesem Haus, das wie in der Zeit eingefroren schien, gehörte entrümpelt.
Er holte seine Kulturtasche hervor und ging zu der Verbindungstür. War überrascht, ein funktionsfähiges, wenn auch mit altmodischer Keramik ausgestattetes Badezimmer vorzufinden. Er drehte das Wasser auf, und mit einem Seufzer machte er sich daran, zuerst die Bartstoppeln von seinem Gesicht zu entfernen.
Er wusste nicht, was folgen würde. Wollte es gar nicht wissen, weil wahrscheinlich nur die nächste Konfrontation bevorstand, in der er wieder einmal versuchen würde, Cristina zur Vernunft zu bringen.
Und doch merkte er, wie alles in ihm sich darauf vorbereitete.
Das Tablett auf einem Arm balancierend, klopfte Cristina nach kurzem Zögern an die Tür des Gästezimmers und schob sie auf.
Luis war nicht im Raum. Sie hätte nicht sagen können, ob es Erleichterung war, was sie empfand. Sie stellte das Tablett auf den Tisch beim Fenster, hörte Wasser rauschen, und dann erblickte sie seine Kleidung, achtlos zu Boden geworfen auf einen Stapel.
Würde sie es tun?
Ihr Magen zog sich zusammen, ihr Herz pochte wild, weil … ja, sie würde es tun. Einmal, ein einziges Mal würde sie tun, was sie wirklich wollte, und den Traum ausleben, der sie seit sechs Jahren verfolgte. Einen Traum, der von Luis handelte, von diesem Haus und diesem Bett.
Ihre Kleidung landete auf seiner. Sie löste den Knoten und benutzte Luis’ Fliege, um sich das Haar locker zusammenzubinden, bevor sie an die Badezimmertür klopfte.
Anton war gerade dabei, sich das Gesicht nach der Rasur abzutrocknen, als er das Klopfen hörte. Er drehte sich um – und verharrte regungslos, als eine nackte Cristina durch die Tür kam, diese verschloss und sich zu ihm umdrehte.
Sie sah ihn an. Er sah sie an. Keiner sprach ein Wort.
Ihr Kinn war ein wenig erhoben, ihre Lippen zitterten, ihre Augen blickten unendlich verletzlich. Nun, da sie bis hierher gekommen war, wusste sie nicht, wie es weitergehen sollte. Sie hörte das Wasser hinter dem Duschvorhang rauschen, sah den Dampf dahinter hervorquellen und war insgeheim dankbar dafür, dass der alte Boiler sie dieses Mal nicht im Stich gelassen hatte, wie sonst so oft.
„Ich dachte mir, wir könnten vielleicht gemeinsam duschen“, hörte sie sich atemlos sagen. „Hast du etwas dagegen?“
Ob er etwas dagegen hatte? Zum ersten Mal seit sechs Jahren kam sie zu ihm, es bedurfte keiner Worte, um ihr klarzumachen, was das für ihn bedeutete. Cristina brauchte nur den Blick auf seine Lenden zu richten, um die Antwort auf ihre Frage zu finden.
Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Verlegen hob sie den Blick wieder auf sein Gesicht. Ohne ein Wort zu sagen, zog Anton den Duschvorhang zur Seite, eine Einladung, die sie ebenso wortlos annahm. Sie ging hin, streckte die Hand aus und fühlte die Wassertemperatur, beschäftigte sich unnötig lange damit, sie zu regulieren. Anton umfasste von hinten Cristinas Hüften mit den Händen, presste sich an sie, ließ sie wissen, was ihre Anwesenheit mit ihm anstellte.
Das Absurde an dieser Situation – sie, die
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