JULIA COLLECTION Band 12
glänzen.
„Das könnte ich dir ja mal zeigen …“
„Wo soll ich den hier hinstellen?“, fragte Boone Gaylynn, als er mit einem weiteren Karton voller Bücher die Bibliothek betrat. Dazu musste er über Bo Regard steigen, der es sich inzwischen zur Gewohnheit gemacht hatte, hier auf der Türschwelle zu liegen.
„Lassen Sie mich mal nachsehen, was drin ist.“
„Die stammen aus dem Keller der Rues“, erklärte Boone, als könnte das Gaylynn einen Hinweis auf den Inhalt geben.
„Aha, es sind gebundene Romane. Stellen Sie den Karton in die Nähe von Stella. Sie kann die Bücher dann auspacken und ins Regal stellen.“
Boone schien dieser Aufforderung sehr gern nachzukommen.
„Ich habe noch nie gesehen, wie sich jemand so schnell bewegt hat, seit Floyd im Alter von zehn Jahren von einem Bär auf einen Baum gescheucht wurde.“ Ma Battle half Gaylynn, die Bücher zu ordnen, die bisher geliefert worden waren, und zu entscheiden, wo der Katalog hinsollte. „Da fragt man sich, ob die Tatsache, dass Stella Rue so ein attraktives Mädchen ist, nicht etwas mit diesem Tempo zu tun hat.“
Gaylynn kam auf dieselbe Idee, als sie den verklärten Gesichtsausdruck des jungen Mannes sah. Stella Rue war bei der Säuberungsaktion am letzten Samstag erst spät erschienen und hatte dann angeboten, weiter zu helfen, so viel sie konnte. Sie war ein nettes, gutmütiges Mädchen mit einer Menge Sommersprossen. Gaylynn hatte sie sofort gemocht. Boone offensichtlich auch.
„Das kann nicht gut ausgehen“, meinte Ma Battle.
„Wieso nicht?“, fragte Gaylynn.
„Weil Boones Mutter eine Montgomery war, deshalb.“
„Aber er heißt mit Nachnamen Twitty.“
„Weil sein Daddy ein Twitty war. Aber seine Mutter war eine Montgomery.“
„Sie billigen doch wohl diese Fehde nicht, oder?“, wollte Gaylynn wissen.
„Ich versuche, nicht Partei zu ergreifen“, antwortete Ma Battle. „Und so sollten Sie es auch halten. Beide Familien sind nicht gerade für ihre Sanftmütigkeit bekannt.“
„Wofür denn dann?“
„Für ihren großartigen Schnaps. Aber das war in den alten Zeiten. Da war das Whiskybrennen eine Kunst. Inzwischen beherrscht sie kaum einer mehr“, berichtete Ma Battle wehmütig.
„Warum nicht?“
„Es gibt heute leichtere Methoden, Geld zu verdienen. Ich behaupte ja nicht, dass niemand mehr selbst Schnaps brennt … es mag noch hier oder da jemanden geben … aber die echte Qualität ist ein Ding der Vergangenheit.“
„Das klingt, als wären Sie eine Expertin auf diesem Gebiet.“
„Das sollte ich auch sein. Mein Großvater war einer der besten Schnapsbrenner des Staates. Er hat seine Ladung immer unter dem Mais versteckt, den er in die Stadt gebracht hat. Tatsächlich hatte er wesentlich mehr Whisky als Mais auf dem Wagen. Das war noch zur Zeit der Prohibition, und da bestand eine große Nachfrage.“
„Wurde er je erwischt?“
„Nein. Aber die Fehde zwischen den Rues und den Montgomerys hat damit angefangen, dass einer erwischt wurde.“
„Davon habe ich gehört“, sagte Gaylynn. „Aber das war vor langer Zeit. Boone scheint es Stella jedenfalls nicht übel zu nehmen, dass sie eine Rue ist.“
„Boone denkt mit seinem Herzen statt mit seinem Kopf. Bessie und Floyd würden durchdrehen, wenn sie wüssten, was da los ist.“
Wie sich herausstellte, entwickelte sich die junge Liebe im Laufe der Woche immer weiter.
Gaylynn erkannte die Anzeichen, da sie selbst das Gleiche erlebte. Nicht, dass Hunter sie je so verklärt angesehen hätte, wie Boone das mit Stella tat. Allerdings hatte er einen ziemlich ähnlichen Ausdruck im Gesicht gehabt, als Gaylynn eines Abends Schlagsahne auf seinem ganzen Körper verteilt und diese dann abgeleckt hatte. Ja, das hatte ihm offensichtlich gefallen. Und Gaylynn selbst liebte ihn von Tag zu Tag mehr.
Sogar jetzt, am Samstagnachmittag, als sie von einem halben Dutzend Kindern umringt war, fiel es ihr schwer, nicht an Hunter zu denken. Sie wurde anscheinend richtig süchtig nach diesem Mann.
„Miss Janos, welche Geschichte werden Sie uns vorlesen?“ Eins der Kinder zog am Rock ihres fliederfarbenen Kleides.
„Ich habe gerade überlegt, welche ich zuerst lesen soll.“ Gaylynn hatte ein neues und ein altes Buch auf dem Schoß. Das neue hatte Hunter ihr geschenkt, das alte enthielt Märchen ungarischer Zigeuner, die ihre Eltern ihr immer vorgelesen hatten, als sie noch klein gewesen war.
Gaylynn hatte zu Hause angerufen, um sie zu bitten, es ihr zu
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