JULIA COLLECTION Band 12
der Postbote. „Es war klug von Axton, es abzustoßen.“
Das hatte der Mann wirklich getan, und Michael war gegen seinen Willen Hausbesitzer geworden. Er hatte für David Axton gearbeitet, war aber nicht bezahlt worden und schließlich vor Gericht gegangen. Dort war ihm das uralte Apartmenthaus zugesprochen worden, während Axton Konkurs angemeldet hatte und verschwunden war.
„Irgendwann wird es etwas wert sein“, hatte er noch behauptet, bevor er das Gerichtsgebäude verlassen hatte. „Es muss bloß ein bisschen renoviert werden. Diese Gegend von Chicago wird bald bei den Yuppies populär. Wenn Sie bis dahin durchhalten, verdienen Sie eine Menge Geld, Janos.“
Vermutlich hatte dieser Betrüger irgendwo auch noch ein paar nette Sumpfgrundstücke billig zu verkaufen. Michael wohnte erst ein paar Wochen in dem Hausund wusste bereits, dass ihm noch größere Schwierigkeiten bevorstanden.
Die Vordertür fiel zu. Der Postbote war fort, und Michael stand mit seinem geheimnisvollen Päckchen im Foyer. Er hoffte, dass es nicht noch mehr Sexspielzeug enthielt, das David Axton vor seinem Auszug bestellt hatte.
Nein, Michaels eigener Name stand darauf, tatsächlich sogar sein ursprünglicher Vorname Miklos.
Den Absender konnte er nicht entziffern, aber auf den Briefmarken stand „Magyar Posta“. Das Päckchen kam also aus Ungarn. Aber Michael kannte niemanden dort. Seine Eltern waren mit ihm Anfang der sechziger Jahre aus Ungarn in die Vereinigten Staaten gekommen, als er noch ein kleines Kind gewesen war.
Das Päckchen sah aus, als hätte es einen Umweg über China gemacht und wäre auf einem Kamel befördert worden. Irgendwie fand Michael, dass es zu dem höllischen Tag passte, den er gerade durchlebte.
Er hob es ans Ohr, schüttelte es und spürte einen heftigen Kopfschmerz, der ihn zusammenzucken ließ. Dadurch ließ er die Zwischentür los. Sie fiel zu, und er war aus seinem eigenen Haus ausgesperrt.
Zum zweiten Mal an diesem Tag fluchte er auf Ungarisch. Gleichzeitig drehte er am Türknauf, und plötzlich hielt er das Teil lose in der Hand.
Brenda Munro überprüfte die Adresse noch mal: 707 Love Street. Ja, das war das Haus. Eigentlich wirkte es eher wie ein Einfamilienhaus als wie ein Apartmentgebäude, aber sie wusste, dass diese Gegend früher einmal von reicheren Leuten bewohnt gewesen war. Jetzt war das Viertel Sanierungsgebiet.
Brenda kannte sich mit dem Kampf um das Lebensnotwendige aus. Und als sie die Außentür öffnete, sah sie einen großen, dunkelhaarigen Mann vor sich, der ebenfalls kämpfte. Er zerrte an dem Knauf der inneren Tür, und mit einem Mal hielt er ihn in der Hand. Der Mann hatte keinen Mantel an. Offenbar hatte er sich gerade ausgesperrt.
„Sie könnten irgendwo klingeln, damit Sie jemand reinlässt“, schlug sie vor.
Der Mann wirbelte zu ihr herum, und sie hielt den Atem an, weil er so attraktiv war. Allerdings war er das nicht nach klassischen Maßstäben. Dazu war sein Gesicht zu schmal, aber er hatte hohe Wangenknochen mit interessanten Schatten darunter.
Sie stand dicht genug bei ihm, um die Farbe seiner Augen erkennen zu können … ein helles Braun. Brenda blinzelte. Solche Augen hatte sie noch nie gesehen. Es war nicht nur die Farbe, durch die man den Eindruck bekam, auf den Grund seiner Seele blicken zu können, sondern auch der düstere Ausdruck. Brenda fühlte sich, als hätte ein Tornado sie erfasst.
„Wo kommen Sie denn her?“, fragte der Mann. „Von draußen. Wollen Sie, dass ich das für Sie in Ordnung bringe?“
Michael presste den Türknauf an seine Brust, was nicht ganz einfach war, da er auch noch ein Päckchen in der Hand hielt, und sah Brenda missmutig an. „Ich hatte heute schon genug Leute hier, die versucht haben, etwas in Ordnung zu bringen.“
„Es ist ein schönes altes Haus.“ Sie bewunderte die kunstvoll geätzten Scheiben der Innentür.
„Es ist ein Sicherheitsrisiko.“ Er folgte ihrem Blick. „Dieses Haus wird noch mal über uns zusammenstürzen.“
„Warum wohnen Sie dann hier?“
„Ich habe keine Wahl.“
Brenda sagte nichts dazu. Sie wusste, wie es war, sich mit Dingen abfinden zu müssen. Aber dieses Leben lag jetzt hinter ihr. „Was halten Sie denn von dem Besitzer des Hauses?“, fragte sie.
„Der Kerl war ein nichtsnutziger Betrüger.“ Michael wünschte sich, David Axton wäre da, damit er ihn zusammenschlagen konnte.
Seine leidenschaftliche Antwort überraschte Brenda. Sie riss die Augen weit auf. Ihre
Weitere Kostenlose Bücher