JULIA COLLECTION Band 12
die Rücklichter des Wagens nicht mehr zu erkennen waren. Es war schon eine Weile her, seit Dylan zuletzt gebetet hatte, doch nun tat er es. Er wünschte sich, dass Abbie nicht verletzt war, dass es ihr gut ging, dass er sie finden würde.
Dann ging er ins Haus und rief bei Hoss Redkins an.
„Er ist geschäftlich verreist“, antwortete eine Frau.
„Sagen Sie ihm, ich mache ihn persönlich verantwortlich für Abigail Turners Sicherheit.“ Dylan knallte den Hörer auf.
„Vielleicht sollte ich selber hinfahren“, murmelte er. „Womöglich hat er sie auf seiner Ranch.“
„Da würde seine Frau nie mitspielen“, meinte Shem.
„Es gibt eine Menge Orte, wo er sich verstecken könnte.“
„Wir wissen nicht, ob Redkins etwas mit Abbies Verschwinden zu tun hat“, erinnerte Shem ihn. „Sie ist mit Randy weggeritten.“
Also war sie entweder von einem liebeskranken Cowboy entführt worden oder von einem Tyrannen, der ihr Land wollte. Beide Möglichkeiten gefielen Dylan nicht besonders gut. Er dachte gerade ernsthaft daran, doch zu Redkins zu fahren, als das Telefon klingelte.
„Es ist für Sie“, erklärte Raj ihm.
Dylan hoffte auf Neuigkeiten über Abbie und griff begierig nach dem Hörer. „Hallo?“
„Hey, kleiner Bruder, wie läuft es denn mit dem Retten von Damen, die in Schwierigkeiten sind?“, erkundigte sich Michael fröhlich.
„Sie ist weg.“
„Wer? Was geht da vor?“
„Abbie ist heute Nachmittag mit einem der Arbeiter weggeritten, und keiner von ihnen ist bisher zurückgekommen. Der Sheriff unternimmt nichts. Ich habe das dumme Gefühl, dass sie in Schwierigkeiten ist, vielleicht auch verletzt. Ich muss sie finden. Hör zu, ich kann jetzt nicht reden. Ich muss los.“ Dylan legte auf.
Nicht mal fünf Sekunden später klingelte es wieder. Dylan nahm automatisch den Hörer ab.
„Holen Sie Dylan Janos an den Apparat“, forderte eine offenbar verstellte Stimme.
„Ich bin Dylan.“
„Wenn Sie Ihre Freundin Abbie lebendig wiedersehen wollen, reiten Sie zu der Hütte in den Bergen … allein. Bei Morgengrauen. Wenn Sie zu früh oder zu spät erscheinen, ist sie tot.“
„Wenn Sie ihr auch nur ein Haar krümmen …“, knurrte Dylan, aber der Anrufer hatte schon aufgelegt.
„Randy, Sie wissen doch, was geschehen wird“, begann Abbie in dem Ton, den sie in der Bibliothek immer benutzt hatte, wenn der Direktor ihr Budget hatte kürzen wollen. Diesmal ging es darum, das Seil loszuwerden, mit dem Randy sie an den Stützbalken in der Mitte der Hütte gebunden hatte. „Sie werden nach mir suchen.“
„Nicht im Dunkeln. Und selbst wenn, werden sie nicht hier nachsehen. Erst wenn wir wollen, dass er das tut.“
„Wer? Von wem reden Sie?“
„Von Dylan, wem sonst?“
„Was haben Sie gegen Dylan? Was haben Sie gegen mich? Wieso tun Sie das?“
„Sie hätten niemals mit ihm zu dieser Hütte hier kommen sollen.“
„Warum nicht?“
„Ich kann nicht darüber reden. Wollen Sie wirklich nichts zu essen?“
Abigail schüttelte den Kopf und versuchte ihre Finger am Zittern zu hindern. Randy hatte ihren rechten Knöchel und ihr rechtes Handgelenk an den Stützbalken gebunden. Nun saß er einen halben Meter von ihr entfernt und ließ sie keine Sekunde aus den Augen, sodass sie nicht testen konnte, wie fest die Knoten waren. Er hatte das Bett in die Mitte des Raumes gerückt, damit sie darauf sitzen konnte.
Abigail war den ganzen Weg in dem Glauben geritten, Dylan wäre verletzt worden und läge hier. Erst als sie hereingekommen war, hatte sie erkannt, dass etwas nicht stimmte. Die Hütte war leer gewesen, und die Blumen, die sie gepflückt und in die Vase gestellt hatte, waren bereits verwelkt.
Das Bett, in dem sie und Dylan sich geliebt hatten, bot ihr jetzt keinen Trost. Stattdessen schien es sie auf spöttische Weise daran zu erinnern, was alles schiefgegangen war. Sie konnte immer noch kaum glauben, was ihr in den letzten sechsunddreißig Stunden passiert war.
„Randy, können Sie das Seil nicht lockern?“
„Das würde ich gern, aber ich darf nicht riskieren, dass Sie fliehen.“
„Und was ist, wenn ich mal auf die Toilette muss?“
„Dann gehe ich mit und stehe draußen Wache.“
„Na großartig“, murmelte sie.
„Das war nicht allein meine Idee“, verteidigte Randy sich.
„Wessen denn dann?“
„Das kann ich Ihnen nicht sagen.“
Fünf Minuten später fragte Abigail: „Können Sie ein Feuer anzünden? Es wird kalt hier drin.“
„Gute
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