JULIA COLLECTION Band 14
Rand seiner Lesebrille zu seiner Tochter und ließ die Freitagabendausgabe des „Endicott Examiner“ auf seinen Schoß sinken. Angie kannte diesen Blick ihres Vaters nur zu gut, und sie fühlte sich noch immer unbehaglich dabei.
So hatte ihr Vater sie angesehen, wenn sie als Kind nach Hause kam und Geschichten von Dinosaurierknochen erzählte, die sie auf Mr. Klondikes Farm gefunden hatte, oder dass sie die alte Mrs. Slovak beobachtet hatte, wie sie Molchaugen und Krötenwarzen im Garten kochte, oder dass Freddy Barrys Vater ein geflohener Sträfling sei, der seine erste Frau mitsamt den Kindern und dem Cockerspaniel abgeschlachtet hatte. Natürlich hatte ihr Vater ihr damals so wenig geglaubt wie heute.
„Bitte, Dad“, flehte sie. „Er ist wirklich einer.“
Ihr Vater sah sie tadelnd an und neigte den Kopf ein wenig mehr, sodass seine glänzende Kopfhaut das Licht der Leselampe neben ihm reflektierte. „Angela Delilah Ellison, in diesem Ton werde ich nicht über einen so netten Mann sprechen.“
„Nett?“, wiederholte sie ungläubig und verschluckte sich fast an den Worten. „Ethan Zorn ist ein mieser Gangster, der für die Mafia arbeitet!“ Das wusste Angie ganz genau, denn sie hatte Maury in Philadelphia angerufen, und er hatte ihr noch einmal bestätigt, dass seine Informationen über Ethan absolut korrekt waren. Sie hoffte nur, dass Maury wusste, wovon er sprach.
Ihr Vater seufzte, schüttelte die Zeitung und widmete sich wieder den Ergebnissen der Highschool-Footballspiele. „Er ist Vertreter der Cokely Chemical Corporation“, sagte Louis müde hinter seiner Zeitung. „Und nachdem ich mich heute Nachmittag mit ihm getroffen habe, neige ich fast dazu, mit seiner Firma zusammenzuarbeiten. Mr. Zorn hat mir einige äußerst interessante Bedingungen angeboten.“
„Na klar“, spottete sie. „Mach ruhig Geschäfte mit ihm, und dann wachst du eines Tages wie in dem Film ‚Der Pate‘ mit einem Pferdekopf neben dir auf.“
„Was war das, Liebes?“ Angies Mutter betrat das Wohnzimmer. Ihre Hände steckten in leicht angesengten Ofenhandschuhen, und ihre runden Wangen waren gerötet. Ihr dunkles Haar mit den hellen Strähnen kringelte sich an den Schläfen von der Hitze des Backofens, und ihre zerknitterte Schürze zeigte jahrealte Butter- und Soßenflecken.
Normalerweise kam Angie freitagabends gern in das verwinkelte Haus im Kolonialstil in der Orchid Street, wo sie aufgewachsen war. Erstens war sie selbst eine schlechte Köchin, und zweitens konnte sie sich hier von ihrem Stress erholen. Heute Abend war das jedoch anders, da ihr Vater sich auf die Seite dieses Gangsters Ethan Zorn schlug.
„Ich sagte gerade, dass wenn Daddy unbedingt Geschäfte mit der Mafia machen will, er eines Tages neben sich im Bett einen Pferdekopf findet“, erklärte Angie.
Ihre Mutter runzelte verwirrt die Stirn. „Warum sollte dein Vater Geschäfte mit der Mafia machen? Louis“, wandte sie sich an ihren Mann, „du lässt dich doch nicht etwa mit zwielichtigen Typen ein, ohne mir etwas davon zu erzählen?“
Angies Vater schüttelte erneut die Zeitung und stöhnte frustriert auf. „Natürlich nicht, Millie. Angies Fantasie geht nur wieder einmal mit ihr durch.“
„Aber …“
„Ethan Zorn ist ein sehr sympathischer Mann“, schnitt er Angie das Wort ab. „Er will hier in der Stadt einige Geschäfte tätigen. Er war so freundlich, dass ich dachte, du würdest ihn auch gerne kennenlernen. Daher habe ich ihn sogar eingeladen, uns …“
Die Türglocke ertönte, und Louis Ellison sprang aus seinem Sessel, um zu öffnen. Angie schaute ihm mit einem Gefühl äußersten Unbehagens nach. O nein, dachte sie, das darf doch nicht wahr sein!
Sie hörte Ethan Zorns tiefe Stimme und sackte in sich zusammen. Nun würde sie den berühmten Rostbraten ihrer Mutter mit einem Kriminellen teilen müssen. Was kam denn noch alles?
„Ja, Ihre Tochter und ich haben uns bereits kennengelernt“, hörte sie den Helden ihres Schreckensszenarios verkünden. „Das war eine sehr merkwürdige Angelegenheit. Ich kam nämlich gerade von einer Geschäftsreise zurück und fand sie in meinem …“
Angie wirbelte herum, und er verstummte. Doch auf seinem Gesicht erschien ein breites Lächeln. Er sah noch besser aus, diesmal in einer bequemen Leinenhose und einem gestreiften Flanellhemd über einem dunkelblauen T-Shirt. Die Ärmel waren bis über die Ellbogen aufgekrempelt, sodass seine wohlgeformten, muskulösen Unterarme voll zur
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