Julia Collection Band 21
dass du nicht insgeheim hoffst, ihn wiederzusehen?“
„Natürlich! Warum sollte ich ihn wiedersehen wollen?“
„Um ihm von Jake zu berichten?“, schlug Alison vor.
„Nein, jetzt nicht mehr. Die Zeit ist ein für alle Mal vorbei.“ Da Christien und seine versnobte Familie bei der Anhörung durch ihre bloße Anwesenheit beleidigt gewesen waren, würde das Wissen um die Existenz des Kleinen nur weiteren Ärger verursachen. „Jake gehört zu mir, und wir kommen gut zurecht.“
Alison war keineswegs überzeugt, denn sie wusste, wie verwundbar Tabby durch ihr vertrauensvolles Wesen war. Sie hatte stets versucht, das einzige Kind ihrer verstorbenen Schwester zu beschützen, das eine gefährliche Wirkung auf Männer auszuüben schien. Tabby hatte honigblondes Haar, grüne Augen, Grübchen und eine verführerische Figur – kurz, sie besaß einen angeborenen Sex-Appeal, der überall für Aufruhr sorgte.
„Ich zerstöre nur ungern deine Träume, aber du hast offenbar nicht bedacht, wie teuer es ist, ein Ferienhaus im Ausland zu unterhalten“, wandte Alison ein.
„Ich will es nicht nur im Urlaub nutzen!“ Die bloße Vorstellung brachte Tabby zum Lachen. „Ich rede von einem festen Wohnsitz … von einem neuen Leben, das Jake und ich in Frankreich beginnen können.“
Ihre Tante war fassungslos. „Das kannst du nicht …“
„Warum nicht? Ich kann überall meine Miniaturen malen und meine Werke übers Internet verkaufen. Ich baue mir gerade einen Kundenstamm auf, und die französische Landschaft wird mich inspirieren. Zugegeben, anfangs dürfte es finanziell ein bisschen eng werden, aber da mir das Haus gehört, brauche ich keine Miete zu zahlen. Außerdem ist Jake jetzt in dem richtigen Alter, um ins Ausland überzusiedeln und eine zweite Sprache zu lernen.“
„Du schmiedest Pläne, ohne das Cottage überhaupt gesehen zu haben“, rief Alison missbilligend.
„Stimmt.“ Tabby lächelte. „Ich habe allerdings vor, nächste Woche hinzufahren und es zu besichtigen.“
„Und wenn es unbewohnbar ist?“
Tabby straffte die Schultern. „Sollte das der Fall sein, werde ich mich darum kümmern, wenn ich dort bin.“
„Ich finde das nicht sehr praktisch. Für dich mag es verlockend sein, im Ausland zu leben, aber du musst auch Jake berücksichtigen. In Frankreich hast du keine Unterstützung, keine Aushilfe, wenn du arbeiten musst oder krank bist.“
„Aber ich freue mich darauf, unabhängig zu sein.“ Angesichts der betroffenen Miene ihrer Tante schluckte Tabby trocken. „Ich muss endlich auf eigenen Füßen stehen, Alison – ich bin jetzt einundzwanzig.“
Mit geröteten Wangen erhob sich ihre Tante und begann, den Tisch abzuräumen. „Das verstehe ich ja, aber ich möchte nicht, dass du hier alle Brücken hinter dir abbrichst und zu spät erkennst, dass du einen schrecklichen Fehler gemacht hast.“
Tabby dachte an all die Fehler, die sie in ihrem Leben bereits begangen hatte. Jake kam durch die Hintertür hereingestürmt und warf sich ihr in die Arme. „Ich hab dich lieb, Mummy“, verkündete er strahlend.
Sie presste ihn fest an sich. Die meisten Leute waren zu höflich, um es zu erwähnen, aber sie wusste, dass sie Jake für ihren bislang größten Fehler hielten. Und trotzdem hatte ihr in Zeiten, als ihr Leben aus den Fugen geraten war, gerade der Gedanke an das ungeborene Baby Kraft und Vertrauen auf die Zukunft gegeben. Christien hatte Licht in ihr Dasein gebracht, und die Welt war für sie in ewige Dunkelheit gesunken, als er daraus wieder verschwunden war.
Seufzend wandte Alison sich zu ihr um. „Bevor du hier eingezogen bist, habe ich mit einem Mann namens Sean Wendell zusammengearbeitet“, erklärte sie. „Er war ganz verrückt nach Frankreich und ist in die Bretagne übergesiedelt, um eine Hausverwaltung zu leiten. Er meldet sich regelmäßig zu Weihnachten bei mir. Ich könnte ihn anrufen und bitten, dir zu helfen.“
Erstaunt sah Tabby ihre Tante an.
Die ältere Frau hob beschwichtigend die Hände. „Ich weiß, ich sollte mich nicht einmischen, aber wenn du dir nicht von Sean helfen lässt, sterbe ich vor Sorge um dich. Du musst dich zuerst beim Notar vorstellen, und es sind bestimmt etliche Formalitäten zu erledigen. Dein Französisch ist ziemlich begrenzt und reicht dafür vielleicht nicht aus.“
Tabby war klar, dass ihre Sprachkenntnisse eingerostet waren, dennoch ärgerte es sie, sich mit einem Fremden belasten zu müssen. Außerdem kreisten ihre Gedanken
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