Julia Collection Band 23
intelligenter gewesen wäre, ihn hier unterzubringen und nicht im Moonstone, auch wenn Joaquin das Gegenteil behauptete. Aber Carson war mit dem Arrangement anscheinend sehr zufrieden. Er meinte, es sei bequemer.
„Wieso bequemer? Und für wen?“
„Für dich. Ich habe ziemlich viel zu tun und muss wahrscheinlich früh aufstehen. Morgen bin ich den ganzen Tag mit Tom Wilson in Besprechungen.“
Molly wusste von dem Projekt mit Tom, trotzdem hatte sie damit gerechnet, dass Carson und sie diesmal mehr Zeit füreinander haben würden. Aber es sah auch diesmal nicht danach aus.
Nach der Ankunft im Moonstone waren sie auf einen Drink in die Hotelbar gegangen, wo sie Freunden begegneten. Mit ihnen verbrachten sie ein paar Stunden, bevor sie ins Beaches zum Essen gingen, und auch hier stießen sie auf alte Bekannte. Aus dem geplanten Abend zu zweit wurde ein Abend zu neunt.
Danach schlug Carson vor, die Cash-Brüder zu besuchen, bei denen sie dann bis drei Uhr morgens blieben. Molly mochte Euclid und Erasmus sehr gern, aber noch lieber wäre sie mit Carson allein gewesen, um ihre frisch erlernten Verführungskünste an ihm auszuprobieren.
Sie seufzte. Von der neuen Frisur und dem schicken Kleid abgesehen, hatte sich nicht viel geändert.
Beim Gute-Nacht-Sagen versuchte sie, die erotische Spannung, die sie in Joaquins Armen gekannt hatte, auch zwischen Carson und sich aufleben zu lassen. Sie küsste ihn langsam und zärtlich, so wie Joaquin es getan hatte, während sie sich enger an ihn schmiegte und ein kleines Spiel mit der Zungenspitze ausprobierte.
Nichts passierte, nicht die kleinste Reaktion. Ihr war, als sei ihr Verlobter in Gedanken ganz woanders, und der Kuss hatte weder Erotik noch Leidenschaft. Er war kalt und einstudiert.
Und dann, als sie es am wenigsten erwartete, reagierte er. Er presste sich an sie und küsste sie mit einer Dringlichkeit, die schon an Verzweiflung grenzte.
Völlig überwältigt löste sie sich aus seiner Umarmung und sah ihn an. Seine Augen waren dunkel und unergründlich.
Er schien etwas sagen zu wollen, und Molly hielt den Atem an.
Doch dann schwieg er und schloss die Augen, um sie gleich wieder zu öffnen. Er atmete tief aus.
„Wir sehen uns morgen“, sagte er leise und angespannt, und ihr war, als schwebe etwas Ungesagtes zwischen ihnen.
„Gute Nacht“, flüsterte sie. Sie sah ihm nach, dann öffnete sie die Tür und betrat das Haus, wo Joaquin auf sie wartete und ihr am liebsten den Kopf abreißen wollte.
„Wie klappt es mit dem Verführen?“, hatte er sie gefragt.
Nicht schlecht.
Die Frage war: Wollte sie Carson überhaupt verführen?
10. KAPITEL
Die Antwort war Nein.
Diese Erkenntnis kam Molly irgendwann im Verlauf der langen schlaflosen Nacht.
Sie hatte Carson ihr ganzes Leben lang geliebt, und sie liebte ihn immer noch. Aber sie wusste auch, dass es nicht die Art von Liebe war, die zwischen Lachlan und Fiona oder Sydney und Hugh existierte.
Carson und sie waren Freunde. Er war ihr Kamerad, aber nicht der Mann ihrer Träume. In den fünfzehn Jahren, die sie miteinander verlobt waren, hatten sie Momente der Zärtlichkeit gekannt, doch keiner davon war wirklich denkwürdig. Am Anfang handelte es sich eher um unerfahrene, ihrem Alter entsprechende Experimente und später … Später, dachte Molly, haben wir immer öfter Ausreden erfunden, um uns mit anderen Dingen zu beschäftigen als mit Sex. Richtiges Verlangen – von Leidenschaft ganz zu schweigen – haben wir nie gekannt und auch nicht vermisst.
Der wirkliche Grund, warum sie jetzt nicht länger warten wollte, war ihr Wunsch nach einem Heim und einer eigenen Familie, nicht heißes ungeduldiges Begehren für ihren Verlobten. Wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie das auch nie empfunden hatte. Sie war sogar zu dem Schluss gekommen, dass diese Art von Begehren nur in Romanen existierte.
Jetzt wusste sie, dass sie sich getäuscht hatte. Echte Leidenschaft existierte. Seit ein paar Tagen kannte auch sie die unwiderstehliche Macht und das Ausmaß physischen Verlangens.
Und noch etwas wusste sie: Joaquin Santiago, dem sie diese Erkenntnis verdankte, liebte sie nicht. Auf ihren Wunsch hatte er ihr gezeigt, wie sie den Mann, mit dem sie seit Jahren verlobt war, dazu bringen würde, sie zu begehren. Und statt sich darauf zu beschränken, hatte sie sich wie eine Närrin benommen und sich ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, unsterblich in ihn verliebt.
Und jetzt? Wie sollte es jetzt
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